Die Maschinenrichtlinie hat das Ziel, die Anzahl der Unfälle, die beim Umgang mit Maschinen entstehen, zu reduzieren. Deshalb fordert diese Richtlinie, dass der Aspekt der Sicherheit in die Konstruktion und in den Bau von Maschinen einfließt. Außerdem müssen Sie dafür sorgen, dass die in der Maschinenrichtlinie geforderten technischen Unterlagen erstellt werden. Anhand der technischen Unterlagen einer Maschine muss es möglich sein, die Übereinstimmung mit den Anforderungen der Maschinenrichtlinie zu beurteilen.
Der Hersteller einer Maschine oder die bevollmächtigte Person ist für die Erstellung der technischen Dokumente sowie für Einhaltung aller Vorgaben verantwortlich.
Nur wenn die Anforderungen umfassend erfüllt sind, ist eine CE-Kennzeichnung der Maschinen zulässig. Im europäischen Wirtschaftsraum ist diese Kennzeichnung erforderlich, um die Maschine uneingeschränkt in Verkehr zu bringen und zu betreiben.
Wesentliche Inhalte der Maschinenrichtlinie
- Beschreibung des Anwendungsbereichs der Maschinenrichtlinie
- Abgrenzung zu anderen europäischen Richtlinien
- Definition von vollständigen und unvollständigen Maschinen
- Anforderungen an vollständige und unvollständige Maschinen
- Anforderungen und Maßnahmen zum Inverkehrbringen und zur Inbetriebnahme von Maschinen
- Bedeutung harmonisierter Normen
- Konformitätsbewertungsverfahren für Maschinen
- Verfahren für unvollständige Maschinen
- CE-Kennzeichnung
- Grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen für Konstruktion und Bau von Maschinen
- Vorgehensweise zur Risikobeurteilung von Maschinen
- Notwendige technische Dokumentation
Sicherheitsnormen für Maschinen
EN-Normen für die Sicherheit an Maschinen
Die Maschinenrichtlinie enthält grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen. Im dazugehörigen Amtsblatt der Europäischen Union sind die zur Maschinenrichtlinie harmonisierten Normen aufgeführt.
Eine Maschine entspricht den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen, wenn sie nach diesen harmonisierten Normen hergestellt wurde.
Die EN-Normen werden unterteilt in verschiedene Typen:
- Typ A – Sicherheitsgrundnorm
- Typ B – Sicherheitsgruppennorm
- Typ C – Sicherheitsproduktnorm
Unterteilung der EN-Normen
Typ A
Sicherheitsgrundnormen über Grundbegriffe, Gestaltungsleitsätze und allgemeine Aspekte (z. B. Konzeption und Arbeitsweisen), die für alle Maschinen, Geräte und Anlagen gelten.
Beispielnormen:
EN ISO 12100 (Sicherheit von Maschinen)
Typ B
Sicherheitsgruppennormen über einen Sicherheitsaspekt oder eine Art von sicherheitsbedingten Einrichtungen, die für eine ganze Reihe von Maschinen, Geräten und Anlagen verwendet werden können.
Typ B1 – Spezielle Sicherheitsaspekte wie z. B. Sicherheitsabstände, Grenzwerte für Oberflächentemperaturen.
Beispielnormen:
EN ISO 13857 (Sicherheitsabständen in Gefährdungsbereichen)
EN ISO 13855 (Sicherheitsabstandsberechnung)
EN ISO 13849 (Sicherheit von Maschinen – Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen)
Typ B2 – Sicherheitsbedingte Einrichtungen wie z. B. Not-Aus- oder Zweihandschaltungen.
Beispielnormen:
EN ISO 13850 (Sicherheit von Maschinen – Not-Halt)
EN 574 (Zweihandschaltungen)
Typ C
Maschinensicherheitsnormen mit detaillierten Sicherheitsanforderungen zu allen signifikanten Gefährdungen für eine bestimmte Maschine oder eine Gruppe von Maschinen. Typ-C-Normen werden auch häufig als Produktnormen bezeichnet.
Beispielnormen:
EN 12622 (Sicherheit von Werkzeugmaschinen - Hydraulische Gesenkbiegepressen)
EN 415 (Verpackungsmaschinen)
Die wichtigsten Normen der funktionalen Sicherheit
Normen und Richtlinien für die funktionale Sicherheit
Die funktionale Sicherheit bezieht sich auf die korrekte Anwendung der sicherheitsbezogenen (Steuerungs-) Systeme und andere risikomindernde Maßnahmen, die ausschlaggebend sind für die Sicherheit eines Systems. Tritt hier ein kritischer Fehler auf, übernimmt die Steuerung die Einleitung des sicheren Zustands.
Für den Maschinenbausektor wurden aus der EN 61508 die Normen EN 62061 und die EN ISO 13849-1 abgeleitet. Diese beiden Normen betrachten speziell die Anforderungen der sicherheitsbezogenen Komponenten von Steuerungen an Maschinen.
Die folgenden Normen für die funktionale Sicherheit zählen zu den Wichtigsten:
- Die EN 61508 ist die Norm für funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener elektrischer, elektronischer und programmierbarer elektronischer Systeme.
- Die EN ISO 13849-1 beschreibt die Gestaltung sicherheitsbezogener Teile von Steuerungen. Eine wichtige Kenngröße für die Zuverlässigkeit von sicherheitsbezogenen Funktionen ist der Performance Level (PL).
- Die EN 62061 beschreibt die funktionalen Sicherheitsaspekte sicherheitsbezogener elektrischer, elektronischer und programmierbarer Steuerungssysteme. Eine wichtige Kenngröße für die Zuverlässigkeit von sicherheitsbezogenen Funktionen ist der Sicherheitsintegritätslevel (SIL).
Harmonisierte Normen für die funktionale Sicherheit
Unter dem Begriff „Harmonisierte Normen“ versteht man europäische Normen für Produkte. Sie gehören zum „New Approach“ (neues Konzept) der Europäischen Kommission, in dem grundlegende Anforderungen an Produkte durch die Organisationen CEN und CENELEC erarbeitet werden. Die harmonisierten Normen werden im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Nur Waren und Dienstleistungen, die den grundlegenden Anforderungen entsprechen, dürfen in den Verkehr gebracht werden. Man erkennt sie anhand von Bescheinigungen oder CE-Kennzeichnungen.
Am Beispiel einer Maschine, die nach den vorgegebenen harmonisierten Normen hergestellt wurde, kann man davon ausgehen, dass sie die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinenrichtlinie erfüllt. Speziell für den Maschinenbausektor wurden die EN 62061 und die EN ISO 13849-1 aus der EN 61508 abgeleitet. Diese beiden Normen betrachten die spezifischen Anforderungen der sicherheitsbezogenen Teile von Steuerungen an Maschinen.
Beide Normen sind zur Maschinenrichtlinie harmonisiert und stellen den Stand der Technik dar. Im Gegensatz zur Vorgängernorm EN 954 können diese Normen auch für komplexe und programmierbare Systeme angewendet werden. Darüber hinaus beinhalten sie alle Aspekte der funktionalen Sicherheit, die aus der EN 61508 abgeleitet wurden. Somit spielen nicht mehr ausschließlich deterministische Aspekte eine Rolle. Weiterhin sind auch die statistischen Ausfallwahrscheinlichkeiten von Systemen sowie organisatorische, fehlervermeidende und fehlererkennende Maßnahmen von Bedeutung.
Das Maß der Sicherheit ist in beiden Normen die Sicherheitsintegrität. Die EN 62061 verwendet SIL 1 bis SIL 3 und die EN 13849 verwendet PL a bis PL e als diskretes Level für die Sicherheitsintegrität.
Anwendungsbereiche für EN 62061 und EN ISO 13849-1
Warum gibt es zwei verschiedene Normen für den vermeintlich gleichen Anwendungsbereich? Antworten auf diese Frage finden Sie in dieser Tabelle.
EN 62061 | EN ISO 13849-1 | |
---|---|---|
Inhalt | Sicherheitsbezogene elektrische, elektronische und programmierbare Steuerungssysteme | Gestaltung sicherheitsbezogener Teile von Steuerungen: Wichtige Kenngröße ist der Performance Level |
Umfang | Einfache elektromechanische Systeme wie Relais oder Elektronik | Einfache elektromechanische Systeme wie Relais oder Elektronik |
Komplexität | Komplexe elektronische Systeme sowie programmierbare Systeme mit allen Architekturen | Komplexe elektronische Systeme sowie programmierbare Systeme mit den vorgesehenen Architekturen |
Anwendung | Spezifisch für elektrische Steuerungssysteme; Rahmen/Methodologie bei anderen Technologien anwendbar | Direkt anwendbar für Technologien außerhalb der Elektrotechnik wie Hydraulik und Pneumatik |
Risikobeurteilung
Schritt 1: Bestimmung der erforderlichen Leistungsfähigkeit
Interaktive Berechnung der SIL-Klasse
EN 62061
Eine wichtige Kenngröße für die Zuverlässigkeit von sicherheitsbezogenen Funktionen ist der Sicherheitsintegritätslevel (SIL). Um den erforderlichen SIL zu ermitteln, werden verschiedene Kriterien abgeschätzt:
- Schwere der Verletzungen (S)
- Häufigkeit und Dauer der Gefährdungsexposition (F)
- Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines gefahrbringenden Ereignisses (W)
- Möglichkeit zu Vermeidung oder Bestimmung des Sicherheitsintegritätslevelsgrenzung des Schadens (P)
Bestimmung des Performance Levels
EN ISO 13849-1
Um den erforderlichen Performance Level (PLr) zu ermitteln, müssen verschiedene Kriterien abgeschätzt werden: das Schadensausmaß, Häufigkeit und Aufenthaltsdauer sowie Möglichkeiten zur Vermeidung der Gefährdung.
Risikoparameter:
S: Schwere der Verletzung
- S1 - leichte Verletzung (normalerweise reversibel)
- S2 - schwere Verletzung, einschließlich Tod (normalerweise irreversibel)
F: Häufigkeit und/oder Dauer der Gefährdungsexposition
- F1 - selten bis öfters und/oder kurze Dauer
- F2 - häufig bis dauernd und/oder lange Dauer
P: Möglichkeit zur Vermeidung der Gefährdung
- P1 - möglich unter bestimmten Bedingungen
- P2 - kaum möglich
Hinweis: Wo die Eintrittswahrscheinlichkeit als gering eingestuft werden kann, darf der erforderlichen Performance Level (PLr) um eine Stufe reduziert werden.
Schritt 2: Spezifikation
EN 62061 und EN ISO 13849-1
Bei der Spezifikation der funktionalen Anforderung geht es darum, die jeweiligen Sicherheitsfunktionen detailliert zu beschreiben. Um dies zu gewährleisten, muss man die entscheidenden Schnittstellen zu anderen Steuerungsfunktionen und Fehlerreaktionen festlegen. Abschließend müssen Sie noch das Sicherheitsintegritätslevel (SIL) oder Performance Level (PL) bestimmen.
Schritt 3: Entwurf und Bestimmung der Steuerungsarchitektur und der erreichten Leistungsfähigkeit
EN 62061
Die sicherheitstechnische Kenngröße für Teilsysteme ergibt sich aus den folgenden Werten:
- Hardware-Fehlertoleranz (HFT), applikationsspezifisch
- Anteil sicherer Ausfälle (SFF), Herstellerangabe
- Diagnosedeckungsgrad (DC), Herstellerangabe oder EN ISO 13849-1
- Wahrscheinlichkeit eines gefahrbringenden Ausfalls pro Stunde (PFHd), ergibt sich aus den anderen Werten
- Proof-Test-Intervall oder Gebrauchsdauer, Herstellerangabe/spezifisch
- Diagnose-Testintervall, applikationsspezifisch
- Anfälligkeit gegenüber Ausfällen infolge gemeinsamer Ursache, Herstellerangabe oder EN ISO 13849-1
Beziehung zwischen den Konzepten PL und SIL
EN ISO 13849-1
Der Performance Level (PL) des sicherheitsbezogenen Teils einer Steuerung (SRP/CS) wird durch die Abschätzung folgender Parameter bestimmt:
- Kategorie: Ist in der Norm als definierte Struktur vorgegeben.
- Mittlere Zeit bis zu einem gefährlichen Ausfall (MTTFd): Wird vom Komponentenhersteller bereitgestellt.
- Diagnostischer Deckungsgrad (DC): Ist aus der Norm zu entnehmen.
- Ausfall infolge einer gemeinsamen Ursache (CCF): Als Punktesystem nach diversen Kriterien zu ermitteln.
- Erreichter Performance Level (PL): Wird anhand einer Tabelle ermittelt und muss gleich oder größer dem erforderlichen PLr sein.
Schritt 4: Verifikation
EN 62061
Durch Hardware-Ausfälle besteht die Möglichkeit, dass weitere gefährliche Ausfälle der SRCF (Safety Related Control Function) entstehen. Diese Wahrscheinlichkeit muss kleiner oder gleich der festgelegten Ausfallgrenze sein, die in der Spezifikation (Schritt 2) festgelegt wurde.
Das SIL (Sicherheitsintegritätslevel), welches von dem SRECS (Safety Related Electrical Control System) erreicht wird, ist geringer oder gleich der niedrigsten SILCL (Safety Integrity Level, Claim Limit) irgendeines Teilsystems, das an der Ausführung der Sicherheitsfunktion beteilig ist.
EN ISO 13849-1
Bei den verschiedenen Sicherheitsfunktionen ist es notwendig, dass das PL (Performance Level) der zugehörigen SRP/CS (Safety Related Parts of Control System) mit dem „erforderlichen PL“ übereinstimmen.
Die PLs verschiedener SRP/CS, die Teil einer Sicherheitsfunktion sind, müssen größer oder gleich dem erforderlichen Performance Level dieser Funktion sein.
Schritt 5: Validierung
EN 62061 und EN ISO 13849-1
Zum Abschluss muss die gesamte sicherheitsbezogene Steuerungsfunktion einer Applikation für die Tauglichkeit in der Anwendung begutachtet werden. Hierbei kann die Eignung durch eine Analyse oder Prüfung erfolgen, beispielsweise durch die Simulation von bestimmten Fehlertypen.
Quelle: In Anlehnung an ZVEI – Sicherheit von Maschinen: Erläuterungen zur Anwendung der Normen EN 62061 und EN ISO 13849-1 (Edition 2).