Strom verbrauchen und Geld sparen Die Energiewende bringt nicht nur Herausforderungen, sondern auch enorme Chancen. In der All Electric Society Factory in Blomberg zeigt sich, wie Batteriespeicher und Gleichstromnetze gemeinsam eine neue Ära einläuten. Ein Projekt mit Signalwirkung.
Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien steigt der Bedarf an flexiblen Speicherlösungen
Dynamischer Strommarkt
389 – das ist die Zahl der Stunden mit negativen Strompreisen im ersten Halbjahr 2025 in Deutschland. Ein Allzeitrekord nicht nur bei uns, sondern weltweit. „Ab einem Anteil von 50 bis 60 % an erneuerbaren Energien im Strommix werden Speicher immer wichtiger. Sonst gibt es noch mehr Tage mit negativen Strompreisen“, sagt Roman Alberti, Geschäftsführer der Voltfang GmbH. Die Vorstellung scheint verrückt: Es gibt Tage, an denen bekommen Stromverbraucher mit dynamischen Stromtarifen Geld dafür, dass sie konsumieren. Doch genau das passiert bei negativen Preisen an der Strombörse.
Umgekehrt können bei Dunkelflaute die Strompreise nach oben schnellen. Während skandinavische Länder mit Wasserkraft und Pumpspeichern starke Schwankungen gut ausgleichen können, zeigt sich der Strommarkt in Deutschland derzeit besonders dynamisch. Das gilt für alle Länder mit einem hohen Anteil an wetterabhängiger Stromerzeugung wie Wind- und Solarenergie.
Tobias Lüke von Phoenix Contact (links) mit Michael Freudel und Roman Alberti von Voltfang
Energiespeichersysteme als Geschäftsmodell
Was Stromerzeuger und Netzbetreiber herausfordert, hat im Bereich der Energiespeicherung zu einem wahren Goldrausch geführt. Unternehmen investieren massiv in Batteriespeicher, um Strom zwischenzuspeichern und gezielt einzuspeisen – ein lukratives Geschäftsfeld. Die Schatzsucher im Goldrausch stehen bei der Bundesnetzagentur bereits in der Warteschlange. Sie wollen ihre Claims abstecken und buhlen um Netzanschlüsse.
Die turbulente Situation ist aber auch eine große Chance: „Wir können Geschäftsmodelle ins Ausland exportieren, weil es uns früher trifft als andere“, ist sich Roman Alberti sicher. Sein Unternehmen, die Voltfang GmbH, hat sich auf nachhaltige Batteriespeichersysteme aus gebrauchten E-Fahrzeug-Batterien spezialisiert. „Wir werden viel mehr Energiespeicher brauchen, um die Netzstabilität in Europa zu sichern“, fügt er hinzu. Deutschland kann bei der Orchestrierung von stabilen Netzen eine ähnliche Vorreiterrolle spielen wie Norwegen in der Elektromobilität.
In der Gleichstromfabrik
Die Stabilität des Energienetzes ist nicht nur für die großen Stromversorger von großer Relevanz: „Wir müssen die Industrie so unabhängig wie möglich machen, mit PV-Anlagen, Gleichstromnetzen schon in der Fabrik und auf der anderen Seite die Schwankungen wieder einfangen“, fährt Alberti fort.
Ein intelligentes Energiemanagementsystem, erneuerbare Energien, Batteriespeicher und Gleichstromlösungen: Sie sind Puzzleteile, die zusammen die Industrie vor hohen Strompreisen schützen. In der All Electric Society Factory in Blomberg ergeben die Puzzleteile ein schlüssiges Bild: Auf 11.000 m² Dachfläche glänzen Solarpaneele, die Produktionsmaschinen arbeiten am Gleichstromnetz, vor dem Gebäude stehen ein Großcontainer mit Batteriespeicher und DC-Ladesäulen.
Das industrielle Gleichstromnetz ist das Herzstück der All Electric Society Factory in Blomberg
Effizienter mit Gleichstrom
„Ein Gleichstromnetz optimiert die gesamte Energiekette von der Erzeugung über die Verteilung bis hin zum Verbrauch“, erklärt Tobias Lüke, Gleichstromexperte bei Phoenix Contact. Das vermeidet nicht nur Wandlungsverluste. Gleichstromnetze in Kombination mit Batteriespeichern nehmen Lastspitzen aus dem System. Letzteres wird besonders relevant in Zeiten volatiler Strommärkte und schwankender Einspeisung.
Die Gleichstromfabrik in Blomberg ist ein Vorzeigebeispiel für gelebte Sektorenkopplung. Sie zeigt eine intelligente Verbindung von Stromerzeugung, -speicherung, -verteilung und -verbrauch über verschiedene Arbeitsbereiche hinweg. „Das industrielle Gleichstromnetz ist das Herzstück der All Electric Society Factory in Blomberg“, fasst Tobias Lüke zusammen.
Blick auf den Speicher-Container von Voltfang vor der All Electric Society Factory
Batteriespeicher ins Gleichstromnetz einbinden
Obwohl Batteriespeicher Gleichstrom aufnehmen, werden sie bislang fast ausschließlich in konventionelle Wechselstromnetze integriert. Die direkte Einbindung in Gleichstromnetze ist technologisch komplex und war bislang kaum erprobt. „Gemeinsam mit Voltfang haben wir es geschafft, einen über ein Gleichstromnetz gekoppelten Batteriespeicher umzusetzen, der überschüssige Energie aus der Photovoltaik aufnimmt“, berichtet Lüke. Diese Energie fließt dann wieder in den Produktionsprozess. Damit gelang den Kooperationspartnern die Gesamtstabilität des Systems zu erhöhen. „Bei der Integration des Energiespeichers war die größte Herausforderung die Regelungs- und Steuerungstechnik. Dadurch kann der Batteriespeicher im Gleichstromnetz optimal verwendet und auf alle Nutzungsszenarien angepasst werden“, berichtet Michael Freudel, Entwicklungsingenieur bei Voltfang.
Blick in den Speicher-Container von Voltfang vor der All Electric Society Factory
Nachhaltige Batteriespeichersysteme made in Germany
Ein weiterer Aspekt der Nachhaltigkeit ist die Nutzung von Second-Life-Batterien aus Elektrofahrzeugen. „Hier in Europa gibt es nur wenige der Rohstoffe, die wir für die Batterieproduktion benötigen“, erklärt Alberti. „Umso wichtiger ist es, dass wir die Ressourcen effizient nutzen, die wir schon im Land haben.“
Die Batteriemodule stammen von renommierten Automobilherstellern, als Second-Life-Batterien oder aus Produktionsüberschüssen. Da Standards in der Autoindustrie sehr hoch sind, bieten diese eine ungewöhnlich lange Lebensdauer. „Wir betreiben zudem intensives Monitoring: Alle 10 s schauen wir, wie sich die einzelnen Batteriezellen verhalten. So stellen wir eine Lebensdauer von 15 Jahren und länger sicher.“
Tobias Lüke ist Gleichstromexperte bei Phoenix Contact
Gleichstromnetze und Batteriespeicher im Einklang
Michael Freudel hebt hervor, wie gut sich modulare Energiespeichersysteme wie diese anpassen lassen: „Das gesamte Energiemanagement ist wesentlich flexibler. Darüber hinaus ist durch die Intelligenz der Energiespeichersysteme Sektorenkopplung extrem gut möglich.“
Wie ein feines Aderngeflecht im Körper durchzieht das Gleichstromnetz die All Electric Society Factory. Es versorgt nicht nur jede Zelle mit frischer Energie, sondern nimmt auch Überschüsse auf. „Die Vorteile sind offensichtlich: Wir haben weniger Wandlungsverluste, eine erhöhte Gesamtstabilität des Systems und wir nutzen dazu weniger Ressourcen“ resümiert Tobias Lüke.
„Batteriespeicher und Gleichstromtechnik gehören einfach zusammen. Sie sind absolute Schlüsseltechnologien auf dem Weg zur All Electric Society.“
Gleichstrom durchfließt ein feines Adernnetz in der All Electric Society Factory
Fazit: Fit für die Zukunft
Die Energiewende ist kein fernes Ziel – sie findet längst statt, ob in den großen Versorgungsnetzen oder dezentral in Fabriken und Wohnquartieren. Die All Electric Society Factory in Blomberg zeigt, wie Unternehmen heute schon auf die Herausforderungen von morgen reagieren können: mit intelligenten Energiespeichern, Gleichstromnetzen und erneuerbaren Energien. Wer jetzt in solche Lösungen investiert, macht sich unabhängiger vom volatilen Strommarkt, senkt langfristig Kosten und stärkt die eigene Wettbewerbsfähigkeit.
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