Maschinenrichtlinie Maschinensicherheit im europäischen Wirtschaftsraum

Person an Maschine in Fabrik

Sollen Ihre Maschinen auf dem europäischen Binnenmarkt in Verkehr gebracht werden? Dann müssen Sie dafür die Anforderungen an die Maschinensicherheit beachten. Hier erfahren Sie, was Sie zur Erfüllung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG berücksichtigen müssen.

Aktuell
Die neue Maschinenverordnung kommt

Die neue Maschinenverordnung 2023/1230 stellt einen entscheidenden Wendepunkt in der Regulierung der Maschinensicherheit innerhalb der EU dar. Um die derzeitigen technologischen Fortschritte und Marktentwicklungen zu berücksichtigen, zielt die neue Verordnung darauf ab, die bestehende Maschinenrichtlinie 2006/42/EG zu aktualisieren. Mit Inkrafttreten ab dem 20. Januar 2027 endet die aktuelle Übergangsphase zur Erfüllung der neuen Sicherheitsanforderungen und damit auch die Gültigkeit der Maschinenrichtline. Ohne Umwandlung in nationales Recht gilt die neue Maschinenverordnung direkt und verbindlich in allen Mitgliedsstaaten.

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Whitepaper zur neuen Maschinenverordnung

Was ist die Maschinenrichtlinie?

Die europäische Maschinenrichtlinie 2006/42/EG hat das Ziel, die Anzahl der Unfälle, die beim Umgang mit Maschinen entstehen, zu reduzieren. Deshalb fordert die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rats vom 17. Mai 2006, dass der Aspekt der Sicherheit in die Konstruktion und in den Bau von Maschinen einfließt.

Die Maschinenrichtlinie soll einheitliche Sicherheitsstandards für Maschinen im Europäischen Wirtschaftsraum gewährleisten. Um rechtliche Konformität und Marktzugang zu erreichen, müssen Hersteller sicherstellen, dass ihre Maschinen den Richtlinien und harmonisierten Normen entsprechen. Diese Normen ermöglichen den Vertrieb von Produkten ohne zusätzliche Tests im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum.

Als Hersteller müssen Sie dafür sorgen, dass die in der Maschinenrichtlinie geforderten technischen Unterlagen erstellt werden. Anhand der technischen Unterlagen einer Maschine muss es möglich sein, die Übereinstimmung mit den Anforderungen der Maschinenrichtlinie zu beurteilen. Der Hersteller einer Maschine oder die bevollmächtigte Person ist für die Erstellung der technischen Dokumente sowie für Einhaltung aller Vorgaben verantwortlich. Nur wenn die Anforderungen umfassend erfüllt sind, ist eine CE-Kennzeichnung der Maschinen zulässig. Um die Maschine uneingeschränkt in Verkehr zu bringen und zu betreiben, ist diese Kennzeichnung im europäischen Wirtschaftsraum erforderlich.

Wesentliche Inhalte der Maschinenrichtlinie

Die aktuelle EU-Maschinenrichtlinie beinhaltet grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen für Maschinen. Daneben behandelt sie harmonisierte Normen, Konformitätsbewertungsverfahren und die Anforderungen an die CE-Kennzeichnung.

1. Grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen

Die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen für Konstruktion und Bau von Maschinen gemäß der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG sind im Anhang I der Richtlinie detailliert beschrieben. Maschinen müssen so konstruiert und gebaut werden, dass sie sicher sind und keine Gefährdungen für Personen darstellen. Neben der mechanischen und elektrischen Sicherheit sind auch Ergonomie, der Schutz vor Lärm und Vibration sowie die Vermeidung von Risiken durch bewegliche Teile zu berücksichtigen.

Not-Halt im Maschinenbau

Not-Halt im Maschinenbau

2. Anwendungsbereich

Die Maschinenrichtlinie gilt für vollständige und unvollständige Maschinen, die in den Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden. Dazu gehören auch austauschbare Ausrüstungen, Sicherheitsbauteile, Lastaufnahmemittel, Ketten, Seile und Gurte sowie abnehmbare mechanische Getriebe.

  • Vollständige Maschinen: Maschinen, die alle Funktionen erfüllen und betriebsbereit sind. Sie müssen alle grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinenrichtlinie erfüllen und ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen.

  • Unvollständige Maschinen: Erfüllen noch nicht alle Funktionen und sind erst nach Einbau in eine andere Maschine oder nach Ergänzung betriebsbereit. Sie müssen eine Einbauerklärung und technische Unterlagen enthalten, die die Einhaltung der relevanten Anforderungen nachweisen.

3. Inverkehrbringen und Inbetriebnahme

Nur Maschinen, die den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen entsprechen und das CE-Kennzeichen tragen, dürfen in Verkehr gebracht werden. Eine Maschine gilt als "In den Verkehr gebracht", wenn sie erstmals auf dem europäischen Markt bereitgestellt wurde. Der Hersteller muss dafür Sorge tragen, dass die Maschine den Sicherheitsanforderungen entspricht. Die technische Dokumentation muss erstellt werden.

Für die Inbetriebnahme müssen Maschinen sicher installiert und gewartet sein und den Anforderungen der Maschinenrichtlinie entsprechen. Wird die Maschine erstmalig durch den Endnutzer gemäß ihrer Bestimmung verwendet, gilt die Maschine als in Betrieb genommen. Der Betreiber hat die Pflicht, die Maschine entsprechend der Betriebsanleitung sicher zu installieren, zu betreiben und zu warten.

Übersicht der EN-Normen

Unterschieden wird zwischen Typ A-, Typ B- und Typ C-Normen

Harmonisierte Normen

Harmonisierte Normen sind technische Spezifikationen, die von europäischen Normungsorganisationen erstellt wurden. Sie werden im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Die harmonisierten Normen dienen dazu, die Einhaltung der grundlegenden Anforderungen der Maschinenrichtlinie zu erleichtern. Die Anwendung dieser Normen ist freiwillig, aber sie bieten eine Vermutung der Konformität.

Beispiel: Bei einer Maschine, die nach den vorgegebenen harmonisierten Normen hergestellt wurde, wird davon ausgegangen, dass sie die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinenrichtlinie erfüllt.

Speziell für den Maschinenbausektor wurden die EN IEC 62061 und die EN ISO 13849-1 aus der EN 61508 abgeleitet:

  • EN 61508: Norm für funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener elektrischer, elektronischer und programmierbarer elektronischer Systeme.
  • EN ISO 13849-1: Beschreibt die Gestaltung sicherheitsbezogener Teile von Steuerungen. Eine wichtige Kenngröße für die Zuverlässigkeit von sicherheitsbezogenen Funktionen ist der Performance Level (PL).
  • EN IEC 62061: Beschreibt die funktionalen Sicherheitsaspekte sicherheitsbezogener elektrischer, elektronischer und programmierbarer Steuerungssysteme. Eine wichtige Kenngröße für die Zuverlässigkeit von sicherheitsbezogenen Funktionen ist der Sicherheitsintegritätslevel (SIL).
Normen für die funktionale Sicherheit
Neue Anforderungen an PL und SIL

Wie werden sich die Anforderungen an die funktionale Sicherheit für Performance Level (PL) und SIL in naher Zukunft ändern? Die internationalen Sicherheitsnormen EN ISO 13849 und EN IEC 62061 befinden sich derzeit in Überarbeitung. Neuerungen werden auch im Bereich der sicherheitsrelevanten Software und von Cyber Security erwartet.

Mehr zu den Normen erfahren
Normen für funktionale Sicherheit

Risikobeurteilung

Eine Risikobeurteilung ist ein entscheidendes Element der Maschinenrichtlinie, das systematisch und umfassend durchgeführt werden muss. Dabei ist es essenziell, alle potenziellen Gefahren zu identifizieren, die mit dem Betrieb der Maschine verbunden sein können.

Vorgehensweise zur Risikobeurteilung von Maschinen:

  1. Identifikation von Gefahren: Ermittlung potenzieller Gefahrenquellen
  2. Bewertung der Risiken: Analyse der Wahrscheinlichkeit und Schwere möglicher Verletzungen
  3. Festlegung von Schutzmaßnahmen: Implementierung von Maßnahmen zur Risikominderung

Die so entwickelte Risikobeurteilung wird dokumentiert, regelmäßig geprüft und aktualisiert. So wird sichergestellt, dass alle neuen Sicherheitsstandards eingehalten werden und die Maschinen den aktuellen technologischen Entwicklungen entsprechen.

Risikobeurteilung Cobot

Risikobeurteilung Cobot

Kombination mehrerer Maschinen oder Komponenten

Bei einer Verkettung mehrerer Maschinen oder Komponenten müssen gegenseitige Abhängigkeiten und potenzielle Gefährdungen neu betrachtet werden. Dazu ist eine umfassende Risikoanalyse erforderlich, die die Sicherheit für die Gesamtheit der Maschinen bewertet.

Konformitätsbewertungsverfahren

Im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens prüft der Hersteller, ob alle Anforderungen der geltenden Richtlinien erfüllt wurden. Mit der Konformitätserklärung bestätigt der Hersteller die Konformität mit den entsprechenden EU-Richtlinien oder -Verordnungen.

Das Konformitätsbewertungsverfahren umfasst:

  1. Risikobewertung: Identifikation und Bewertung potenzieller Gefahren.
  2. Technische Unterlagen: Erstellung und Bereithaltung der technischen Dokumentation.
  3. CE-Kennzeichnung: Anbringung des CE-Kennzeichens nach erfolgreicher Bewertung.

Für unvollständige Maschinen ist eine Einbauerklärung erforderlich. Diese bestätigt, dass die Maschine den relevanten Anforderungen entspricht. Um die Konformität nachzuweisen, müssen technische Unterlagen ebenfalls bereitgestellt werden.

CNC-Abkantpresse

Abkantpresse als Hochrisikomaschine

Hinzunahme von externen Stellen bei Hochrisikomaschinen

Im Anhang IV der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG werden Maschinen gelistet, die als besonders gefährlich gelten. Einige Beispiele dieser Maschinen sind:

  • Sägemaschinen
  • Fräsmaschinen
  • Pressen
  • Spritzgieß- und Formpressmaschinen
  • Hebebühnen

Für diese Maschinen gelten strenge Konformitätsbewertungsverfahren. Fällt die betrachtete Maschine in eine der Kategorien des Anhangs IV der Maschinenrichtlinie und wird keine harmonisierte Norm angewendet bzw. eingehalten, muss eine externe Stelle zur Bewertung hinzugezogen werden. Diese führt dann entweder eine Baumusterprüfung durch oder bewertet das Qualitätssicherungssystem des Herstellers.

Technische Dokumentation

Die technische Dokumentation muss alle Informationen enthalten, die zur Bewertung der Konformität der Maschine erforderlich sind, einschließlich:

  • Technische Zeichnungen und Schaltpläne
  • Berechnungen und Testergebnisse
  • Bedienungsanleitung
  • Risikobeurteilung
  • EG-Konformitätserklärung

In welcher Sprache muss die technische Dokumentation erstellt sein?

Grundsätzlich gibt es bezüglich der Sprache bei der Erstellung der technischen Dokumentation keine Vorgaben. Im Einzelfall können Marktüberwachungsbehörden die Übersetzung in die Amtssprache des EU-Mitgliedsstaats verlangen, in dem die Maschine in Verkehr gebracht werden soll.

Wer muss die technische Dokumentation aufbewahren?

Die technische Dokumentation ist vom Hersteller selbst mindestens zehn Jahre lang aufzubewahren, nachdem die Maschine in Verkehr gebracht wurde.

CE-Kennzeichnung

Die CE-Kennzeichnung zeigt an, dass eine Maschine den grundlegenden Anforderungen der relevanten europäischen Richtlinien entspricht und das Konformitätsbewertungsverfahren erfolgreich durchlaufen hat.

CE-Kennzeichnung an Maschine

Maschine mit CE-Kennzeichnung

Umbau von CE-gekennzeichneten Maschinen

CE-gekennzeichnete Maschinen dürfen umgebaut werden. Sollte der Umbau allerdings eine wesentliche Veränderung im Sinne der Maschinenrichtlinie darstellen, muss die Maschine nach dem Umbau erneut das Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen.

Wesentliche Veränderungen können bedingt sein in:

  • Funktionsänderungen
  • Leistungssteigerungen
  • Nachrüstung von Zubehör- und Anbauteilen
  • Modernisierung oder Austausch von Sicherheitsvorrichtungen
  • Einsatz neuer Betriebsstoffe

Weitere Informationen zu wesentlichen Veränderungen liefern § 72 des Leitfadens zur Maschinenrichtlinie der Europäischen Kommission sowie der “Blue Guide” der Europäischen Kommission.

Weitere Richtlinien

Neben der EU-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG gibt es noch weitere für Maschinen relevante Richtlinien, die gleichzeitig zu berücksichtigen sind.

Dazu zählen z. B.:

  • Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU (NSR)
  • Elektromagnetische Verträglichkeit 2014/30/EU (EMV)
  • Funkanlagenrichtlinie 2024/53/EU
  • RoHS-Richtlinie 2011/65/EU
  • ATEX-Richtlinie 2014/34/EU

Produkte für die funktionale Sicherheit

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