Mit Effizienz zu mehr Schaltschränken Um sich im Schaltanlagenbau zukunftsfähig aufzustellen, setzt Gebäudeautomatisierungsunternehmen und Schaltanlagenbauer TOBOL auf die Beratungsdienstleistungen von Phoenix Contact.
Kurzfassung
Um alle Sektoren der Gesellschaft und Industrie zu elektrifizieren, müssen Stromnetze weltweit massiv ausgebaut werden – und Millionen zusätzliche Schaltschränke entstehen. Durch Digitalisierung und fortlaufende Optimierung gelingt es nicht nur, schneller und effizienter zu produzieren, sondern auch die Qualität zu steigern.
Projektmanager Henning Rey arbeitet bei Phoenix Contact und berät Schaltschrankbau-Unternehmen in Prozessoptimierung nach Lean-Prinzipien
Prozessoptimierung nach Lean-Prinzipien
Eine Produktionshalle im thüringischen Leinefelde: Wie auf einem Spielfeld ziehen sich schwarze Markierungslinien über den glänzenden Hallenboden. Die Laufwege sind frei, auf jedem markierten Feld fokussieren sich Fachkräfte und angelernte Mitarbeitende auf unterschiedliche Prozessschritte im Schaltanlagenbau. Alles wirkt luftig und aufgeräumt.
Die TOBOL GmbH fertigt hier Schaltanlagen höchster Qualität. Sie hat mit ihrer neuen Produktionshalle in Leinefelde keine neue Gebäudehülle für alte Abläufe geschaffen, sondern ihre komplette Schaltanlagenproduktion neu aufgestellt. Mit Hilfe der Beratungsdienstleistungen von Phoenix Contact wird hier nach Prinzipien des Lean Management produziert.
„Unsere Zusammenarbeit hat schon am alten Standort begonnen“, berichtet Tobias Funke, Geschäftsführer der TOBOL GmbH. „Die Consultingdienstleistungen von Phoenix Contact haben uns geholfen, unsere digitalen Prozesse zu verbessern, schlanker zu werden und schneller zu reagieren.“ Der Prozess, den dieses Unternehmen durchlaufen hat und noch durchläuft, steht vielen Schaltschrankbauern noch bevor.
Beim Cardboard-Engineering-Workshop entwerfen Mitarbeitende ihre neuen Arbeitsplätze und Werkzeugwagen im Maßstab 1:1 mit Pappmodellen
Fit für die All Electric Society
Dass sich die Unternehmen der Branche vermehrt mit Themen wie Effizienzsteigerung und Digitalisierung beschäftigen, liegt nicht nur am Fachkräftemangel. Um alle Sektoren der Gesellschaft und Industrie mit Energie aus erneuerbaren Quellen zu versorgen, müssen die Energieverteilnetze massiv ausgebaut werden. „Die Nachfrage nach Schaltschränken wird aufgrund der steigenden Elektrifizierung, Vernetzung und Automatisierung in den kommenden Jahren massiv steigen“, weiß auch Henning Rey. Als Projektmanager und Berater hat er sich effizienteren Prozessen im Schaltschrankbau verschrieben.
Die Herausforderungen der Zukunft sind groß: Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 20 Prozent des Energienetzes zusätzlich installiert werden muss, inklusive der dafür notwendigen Schaltanlagen. Weltweit müssten allein dafür etwa 5,5 Millionen Schaltschränke zusätzlich gebaut werden. Weitere Schaltschränke werden zudem für Anwendungen gebraucht, die künftig elektrifiziert werden, etwa in der Elektromobilität oder Gebäudeautomation.
Trotzdem erleben Berater wie Henning Rey oft eine gewisse Skepsis, wenn es um die Einführung von Effizienz- und Digitalisierungsmaßnahmen geht. Häufiger Grund ist eine Abwehrhaltung gegenüber Lean-Methoden zur Effizienzsteigerung in althergebrachten Produktionsprozessen. Für solche Aufgaben und automatisierte Prozesse ist TOBOL heute besser aufgestellt denn je. „Wir können heute Aufträge annehmen, die früher nicht möglich waren, auch Serienaufträge“, berichtet Geschäftsführer Tobias Funke. Doch solche Arbeitsprozesse ändert niemand über Nacht. „Zunächst haben wir die TOBOL-Mitarbeitenden nach Blomberg zu einem Ziele-Workshop eingeladen“, sagt Bernd Naguschewski, Leiter des Applications-Center Schaltschrankbau bei Phoenix Contact. Als nächster Schritt folgte ein Cardboard-Engineering-Workshop.
Aus den Büros der Konstrukteure gehen die Daten direkt in die Produktionshalle und Logistik
Planen, durchspielen, optimieren
Früher wurde die Produktion von Produktionsplanern gestaltet, oft über den Kopf der Mitarbeitenden hinweg. Für die Berater von Phoenix Contact ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden von Anfang an tief in den Verbesserungsprozess eingebunden sind. Beim Cardboard-Engineering entwerfen sie die Prototypen ihrer Arbeitsplätze selbst: „Was benötigen die Mitarbeitenden? Wie sind die Laufwege? Wie viele Werkzeuge brauchen sie wirklich am Platz?“, beschreibt Henning Rey den Ansatz. Die Methode macht es möglich, Arbeitssysteme zu modellieren, Abläufe zu simulieren und Prozesse zu analysieren, ohne dabei Kosten für reale Betriebsmittel zu verursachen.
Produktionsmitarbeiter Frank Klaus hat gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen viel Herzblut in das Projekt gesteckt: „Wir haben dieses Regal viele Male umgestellt und uns gemeinsam Gedanken gemacht. Dann haben wir alles geübt und durchgespielt, bis wir zufrieden waren.“ Früher sind alle ständig durch die Halle gelaufen. Die Laufwege waren viel zu lang. Resultate der Workshops waren aber nicht nur neue Materialwagen, markierte Laufwege und eine aufgeräumte Produktionshalle. Alle Materialien werden just-in-time an die Arbeitsplätze geliefert und Displays zeigen den aktuellen Fertigungsstand an, alles ist papierlos und digital. Fehler, Änderungen und Verbesserungsvorschläge werden direkt im System erfasst.
Von oben blicken Konstrukteure aus ihren Büros direkt in die Produktionshalle. Von dort aus gehen Schaltpläne, Stücklisten und Aufbaupläne in die Produktion bzw. den integrierten Logistikbereich, wo die Aufträge kommissioniert werden. „Auch das war Ergebnis des Optimierungsprozesses: TOBOL hat einen eigenen Logistikbereich. Bei anderen Unternehmen müssen sich die Elektrofachkräfte ihr Material mühsam zusammensuchen, das bindet wertvolle Arbeitszeit“, sagt Henning Rey.
Das Glücksrad am Ende des morgendlichen Austauschs bestimmt den Moderator der Runde für den Folgetag
Jeden Tag ein bisschen besser
Jeden Morgen um 9:45 Uhr kommen aus allen Bereichen der Halle Mitarbeitende zusammen. Es ist wieder Zeit für das tägliche Update. Heute moderiert Ralf Krause, Werkleiter bei TOBOL, die Runde. Auch dieses Shopfloor-Management ist ein Resultat des Beratungsprozesses, nur 10 Minuten am Tag, aber die lohnen sich: „Durch das Shopfloor-Management tauschen wir uns effektiv aus – über alles, was in der Produktion funktioniert, aber auch über das, was schiefläuft“, berichtet Krause. Früher sind die Mitarbeitenden den ganzen Tag mit Problemen auf ihn zugekommen, heute ist er um 9:55 Uhr mit allem durch. „Dann treffe ich mich mit dem Geschäftsführer an der Kaffeemaschine, um alles durchzusprechen.“
Zielorientiertes Arbeiten statt ständiges Kontrollieren: Auftretende Fehler pflegen die Mitarbeitenden noch während der Produktion direkt ins System ein. „Durch die Digitalisierung haben wir klare Transparenz, auch für den Kunden. Wir können rechtzeitig Rückmeldung geben und nicht erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist“, so Werkleiter Ralf Krause. Geschäftsführer Tobias Funke fügt hinzu: „Durch die Lean-Production-Methoden sind wir viel schneller und effizienter geworden.“ Beide betonen, dass die Zusammenarbeit mit Phoenix Contact immer partnerschaftlich auf Augenhöhe lief und alle schnell zum Ziel gebracht hat.
Aber nicht nur die Prozesse sind schneller und effizienter geworden, auch die Mitarbeiterzufriedenheit ist gestiegen. Produktionsmitarbeiter Frank Klaus kann das bestätigen: „Eine neue Produktionsstätte zu beziehen, das ist schon ein Traum. Aber so richtig gut wird es erst dann, wenn man selbst mitgestalten kann: Heute sind unsere Arbeitsplätze so, wie wir sie brauchen.“
Fazit
Um alle Sektoren der Industrie, des Privatlebens und der Gesellschaft zu elektrifizieren, müssen Energieverteilnetze stark ausgebaut werden. Millionen Schaltschränke werden dafür im nächsten Jahrzehnt gebraucht. Um eine bedeutende Rolle bei der Realisierung der All Electric Society zu spielen, müssen sich Schaltschrankbau-Unternehmen auch mit Effizienzsteigerung, Digitalisierung und Lean-Prozessen beschäftigen.
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