Überspannungsschutz in Energiehauptverteilungen Unsachgemäß installierter Überspannungsschutz birgt ein Haftungsrisiko für Planer und Errichter der Schaltanlage. Oftmals führen zu lange Anschlussleitungen zu Problemen. Informieren Sie sich über die richtige Installation und wie Sie die geforderten Leitungslängen einhalten.

Blick in eine Energiehauptverteilung mit installiertem Überspannungsschutz

Der richtige Ort für die Installation des Überspannungsschutzes


In großen elektrischen Anlagen erfolgt die Einspeisung häufig über einen eigenen Transformator. Auf der Niederspannungsseite ist eine Energiehauptverteilung mit Leistungsschalter bis zu 7000 A installiert. Auch in diesen Verteilungen muss nach DIN VDE 0100-443 ein Überspannungsschutz vorgesehen werden.

In Energieverteilungen mit Einspeisung von unten und Sammelschienensystem oben bzw. in der Mitte wird der Überspannungsschutz in der Regel oberhalb des Leistungsschalters eingebaut. An dieser Stelle ist im Einspeisefeld viel Platz für das Überspannungsschutzgerät und eine notwendige Vorsicherung.

Die Anschlussleitungen zum Überspannungsschutz werden durch die großen Abstände zu lang. Dies geschieht automatisch durch die Wege von den oben bzw. mittig eingebauten Sammelschienen mit L1, L2 und L3 und den unten platzierten Schienen für PE, N bzw. PEN. Das ist kein Schönheitsfehler: Zu lange Leitungen erhöhen den wirksamen Schutzpegel in der Schaltanlage auf ein nicht mehr ausreichendes Maß.

Grundlagen: Leitungslängen und Schutzpegel im Detail


Schaubild: Schutzpegel in einer Schaltanlage

Schutzpegel in einer Schaltanlage

Der Anschluss der Überspannungsschutzgeräte, vor allem die Leitungslänge, hat einen erheblichen Einfluss auf den wirksamen Schutzpegel in der Schaltanlage.
Die DIN VDE 0100-534 fordert daher eine maximale Leitungslänge zwischen der Phase und dem PE von 0,5 m.

Schaubild: Gesamt wirksamer Schutzpegel in einer Schaltanlage

Gesamt wirksamer Schutzpegel in einer Schaltanlage

Ein geradlinig verlegter, 1 m langer Leiter erzeugt bei einem Impulsstrom von 10 kA (10/350 µs) einen Spannungsfall von ungefähr 1 kV.

ΔUL = (-) L ∙ di/dt
L = 1 µH/m

ΔUL = 1 µH ∙10 kA / 10 µs = 1 kV

Berücksichtigen Sie diesen Spannungsfall bei der Bewertung des gesamt wirksamen Schutzpegels.

Der Spannungsfall über die Anschlussleitungen kann schnell einen höheren Wert als der Schutzpegel des SPD bekommen. Das ist ein Umstand, der häufig unterschätzt wird.

2. Bewertung des wirksamen Schutzpegels

Leitungslängen unter 0,5 m sind gerade in großen Schaltanlagen nicht immer leicht einzuhalten.
Alternativ können Sie den wirksamen Schutzpegel in der Anlage auch individuell bewerten. Das hört sich kompliziert an, muss es aber nicht sein. Für größere Schaltanlagen ist dieser Weg sogar empfehlenswert.
Für eine Bewertung des wirksamen Schutzpegels müssen Sie das Schutzziel kennen und verstehen. Das Schutzziel ist eindeutig definiert: Um einen ausreichenden Schutz der Betriebsmittel sicherzustellen, darf der Schutzpegel Up zwischen den aktiven Leitern und dem Schutzleiter in keinem Fall die notwendige Bemessungsstoßspannung Uw der zu schützenden Betriebsmittel überschreiten.
Die sperrige Formulierung heißt nichts anderes, als dass die Spannung zwischen den aktiven Leitern und dem Schutzleiter niemals größer werden darf als die Isolationsfestigkeit bzw. Spannungsfestigkeit der verwendeten Betriebsmittel. Dazu zählt auch der Schaltschrank.
Die Spannungsfestigkeit der Betriebsmittel ist durch die Bemessungsstoßspannung Uw festgelegt. Dazu sind die Geräte in Überspannungskategorien eingeteilt.

Überspannungskategorien für 230/400-V-Netze

Geforderte Bemessungsstoßspannung Uw zwischen den aktiven Leitern und PE (Erde).

Bemessungsstoßspannung

Betriebsmittel

Überspannungskategorie
IV 6 kV Betriebsmittel mit sehr hoher Bemessungsstoßspannung, z. B. Elektrizitätszähler, Rundsteuerempfänger
III 4 kV Betriebsmittel mit hoher Bemessungsstoßspannung, z. B. Verteilertafeln, Schalter, Steckdosen
II 2,5 kV Betriebsmittel mit normaler Bemessungsstoßspannung, z. B. Haushaltsgeräte, Werkzeuge
I 1,5 kV Betriebsmittel mit geringer Bemessungsstoßspannung, z. B. empfindliche, elektronische Geräte

Für die elektrische Anlage müssen Sie also nur sicherstellen, dass der wirksame Schutzpegel kleiner als die Bemessungsstoßspannung Uw bleibt.

Und das ist gar nicht so schwierig. In einer größeren Energiehauptverteilung entsprechen in der Regel alle Betriebsmittel der Überspannungskategorie III, teilweise sogar Kategorie IV. Hierdurch sind die Betriebsmittel in 400-V-Netzen bis 4 kV bzw. 6 kV spannungsfest.

3. Spannungsfall auf Anschlussleitungen

Ein Impulsstoßstrom von 10 kA (10/350 µs) erzeugt an einem geradlinig verlegten, 1 m langen Leiter einen Spannungsfall von ungefähr 1 kV. SPDs werden nicht immer mit Leitungen angeschlossen. In großen Schaltanlagen ist der Einbau von Kupferschienen üblich. Die Schienen haben durch ihre geometrische Form eine geringere Induktivität als Leitungen.

Der Effekt der geometrischen Form auf die Induktivität tritt auch bei Montageplatten auf. Eine Montageplatte hat eine deutlich geringere Induktivität als eine Leitung und erzeugt dadurch einen erheblich geringeren Spannungsfall durch einen Impulsstoßstrom. Aber Vorsicht: Vernachlässigen Sie nicht den Spannungsfall über die Montageplatte und berücksichtigen Sie die Anschlüsse zur Montageplatte.

Entscheidend für den Spannungsfall über eine Anschlussleitung ist die Stromänderung di/dt. Bei einem Impulsstoßstrom von 10 kA (10/350 µs) ist der Spannungsfall an einem geradlinig verlegten und 1 m langen Leiter etwa 1 kV. Allerdings sind in großen Schaltanlagen häufig SPD vom Typ 1 mit einem Ableitvermögen von 25 kA pro Pol und bis zu 100 kA in Summe verbaut – also 10-mal mehr als die in normativen Schriften erwähnten 10 kA. Und ein 10-faches di/dt erzeugt einen 10-fachen Spannungsfall. Aus 1 kV werden so schnell 10 kV.

Spannungsfall in Abhängigkeit zur Geometrie der Verbindung bei verschiedenen Impulsstoßströmen

Die Tabelle können Sie bei der groben Bestimmung des Gesamtschutzpegels in einer elektrischen Anlage verwenden. Für eine pragmatische Dimensionierung der Anbindungen sind die genannten Werte hinreichend genau.

10 kA

25 kA

40 kA

75 kA

 
Runder Leiter, querschnittsunabhängig 1,0 2,5 4,0 7,5
Kupferflachband 30 mm x 2 mm 0,9 2,3 3,6 6,8
Kupferschiene 30 mm 0,9 2,3 3,6 6,8
Kupferschiene 60 mm 0,8 2,0 3,2 6,0
Kupferschiene 100 mm 0,7 1,8 2,8 5,3
Kupferschiene 120 mm 0,7 1,8 2,8 5,3
Stahlblech 0,4 1,0 1,6 3,0
VA-Blech 0,3 0,8 1,2 2,3
Schaubild: Schutzpegel in einer Schaltanlage mit Vorsicherung

Schutzpegel in einer Schaltanlage mit Vorsicherung

Auswirkung einer Vorsicherung auf den Schutzpegel

Zur Berechnung des gesamt wirksamen Schutzpegels in der elektrischen Anlage müssen die Teilspannungen aller Anschlussteile zwischen dem Außenleiter, Anschlusspunkt A und dem Schutzleiter, Anschlusspunkt B, zum eigentlichen Schutzpegel des SPD addiert werden. Berücksichtigen Sie dabei auch die Leitungswege zur Vorsicherung.

Die Leitungswege von und zur Vorsicherung sind nicht zu unterschätzen. Zudem ist eine Vorsicherung für einen SPD vom Typ 1 auch entsprechend groß. Um den Nennstoßstrom von 25 kA pro Pol sicher ohne Auslösen führen zu können, muss eine NH-Sicherung 315 A groß sein. Das ist nur mit mindestens NH2-Sicherungen möglich, die eine nicht unwesentliche Größe haben und einen entsprechenden Platz im Schaltschrank benötigen.

Berechnung des wirksamen Schutzpegels in der elektrischen Anlage anhand von drei Beispielen


Wie beschrieben, müssen die Teilspannungen aller Anschlussteile zwischen dem Außenleiter, Anschlusspunkt A und dem Schutzleiter, Anschlusspunkt B, zum eigentlichen Schutzpegel des Surge Protection Devices (SPD) addiert werden.

Die Berechnung haben wir an den drei folgenden Beispielen durchgeführt.

Der Spannungsfall über die entsprechenden Leitungen wurde aus der Tabelle „Spannungsfall in Abhängigkeit zur Geometrie“ übernommen.

FLT-SEC-Hybrid-Einbau oberhalb des Leistungsschalters

FLT-SEC-Hybrid oberhalb des Leistungsschalters

1. Einbau: Oberhalb des Leistungsschalters

Der Einbau findet statt oberhalb des Leistungsschalters auf geerdeter Montageplatte, mit großem Abstand zur unten liegenden PEN-Schiene.
Hinweis:
Verlegen Sie eine direkte Leitungsverbindung vom Ableiter zur PEN-Schiene, parallel zur Verbindung über die Montageplatte. Diese Anbindung erhöht den Schutzpegel der SPD-Kombination nicht, ist aber nach DIN VDE 0100-534 vorgeschrieben.

 Wirksamer Schutzpegel, Beispiel 1

Mit einem Schutzpegel von 8,2 kV kann der Schutz gemäß der Überspannungskategorie IV für Schaltanlagen in 230/400-V-Netzen nicht eingehalten werden.

Länge in cm

Teilstrom in kA

Spannungsfall in kV

 
PEN-Verbindung vom SPD auf Montageplatte 15 75 1,1
PEN-Verbindung über Montageplatte 115 75 3,5
PEN-Verbindung von der Montageplatte auf PEN-Schiene 15 75 1,1
L1-L3-Anbindung 40 25 1,0
SPD (Schutzpegel) - 25 1,5
Gesamter Schutzpegel 8,2
FLT-SEC-Hybrid-Einbau unterhalb des Leistungsschalters in Hauptverteilung

FLT-SEC-Hybrid in Hauptverteilung

2. Einbau: Unterhalb des Leistungsschalters

Der Einbau des SPD findet unterhalb des Leistungsschalters statt.

Bei dieser Variante des Einbaus ist der Abstand zum Schutzleiter relativ klein.

  Wirksamer Schutzpegel, Beispiel 2

Mit einem Schutzpegel von 4 kV kann der Schutz gemäß der Überspannungskategorie III für Schaltanlagen in 230/400-V-Netzen eingehalten werden.

Länge in cm

Teilstrom in kA

Spannungsfall in kV

 
PEN-Verbindung vom SPD auf PEN-Schiene 20 75 1,5
L1-L3-Anbindung 40 25 1,0
SPD (Schutzpegel) - 25 1,5
Gesamter Schutzpegel 4,0
FLT-SEC Hybrid-Einbau unterhalb des Leistungsschalters

Berechnung des Schutzpegels

3. Einbau: Unterhalb des Leistungsschalters

Der Einbau des SPD findet unterhalb des Leistungsschalters mit optimierter PEN-Verbindung statt.

Die Beispiele 1 und 2 zeigen deutlich, dass bei der Optimierung des Schutzpegels der Fokus auf der Anbindung vom SPD auf die PEN-Schiene liegen sollte. Je kürzer diese Anbindung ist, desto besser ist der Schutzpegel. Der Einfluss der PEN-Verbindung ist in Beispiel 1 und 2 dreimal höher als die Verbindungen zu den aktiven Leitern L1, L2 und L3.

Eine weitere Möglichkeit ist, die Verbindung zur PEN-Schiene nicht mit einer Leitung, sondern mit separaten Leitungen je Pol, also drei einzelnen Leitungen, auszuführen. Der Teilstrom durch die Leitungen ist in diesem Fall dann nur noch 25 kA und nicht 75 kA. Entsprechend ist der Spannungsfall dann auch nur noch ein Drittel.

  Wirksamer Schutzpegel, Beispiel 3

Mit einem Schutzpegel von 2,5 kV kann der Schutz gemäß der Überspannungskategorie II für Schaltanlagen in 230/400-V-Netzen eingehalten werden.

Länge in cm

Teilstrom in kA

Spannungsfall in kV

 
PEN-Verbindung vom SPD auf PEN-Schiene 10 25 0,25
L1-L3-Anbindung 10 25 0,75
SPD (Schutzpegel) - 25 1,5
Gesamter Schutzpegel 2,5

Unsere Lösung: FLT-SEC-Hybrid


Das Überspannungsschutzgerät Typ 1 mit integrierter Sicherung FLT-SEC-Hybrid ist eine Lösung, die Platz, Geld und wertvolle Leitungslänge spart.

Eine separate Vorsicherung ist nicht erforderlich, was neue Möglichkeiten für den Einbauort des Überspannungsschutzgeräts (SPD, Surge Protective Device) bietet. Das SPD arbeitet unauffällig im Hintergrund und sorgt für Sicherheit.

FLT-SEC-H kombiniert eine netzfolgestromfreie Funkenstrecke mit einer stoßstromfesten Sicherung und kann ohne separate Vorsicherung eingesetzt werden. Mit einer Kurzschlussleistung bis 100 kA ist er auch für große Energieverteilungen geeignet.

In dem Video wird die Herausforderung der korrekten Installation von Überspannungsschutz und Vorsicherung noch deutlicher. Unser Kollege erklärt, wie die fachgerechte Installation ausgeführt werden muss. Das Video zeigt ebenfalls, wie viel Platz im Schaltschrank mit unserer Lösung, dem FLT-SEC-Hybrid, eingespart wird.

Vorteile der Installation mit FLT-SEC-H Gegenübergestellt einer Installation mit separater Vorsicherung

  • Bis zu 80 % mehr Platz im Schaltschrank
  • Kürzere Leitungswege, für einen niedrigen Schutzpegel
  • Sichere Prüfung der Anlage dank steckbarer Schutzmodule