Das Innovationsmagazin von Phoenix Contact Gleich- strom Die Gleichstromfabrik Einfach mal machen – DC funktioniert in der Industrie schon heute Stecker und Schalter Mit neuen Produkten wird eine alte Technologie fit für die Zukunft Die DC-Rüstung Was man braucht, um Gleichstrom sicher zu machen – von Partnern und Organisationen

EDITORIAL Die Zukunft ist heute Liebe Leserinnen, liebe Leser, Gleichstrom ist eines der Schlagworte, die in Zeiten von Energie- wende und CO2-Reduktion in aller Munde sind. Doch was steckt wirklich hinter dieser neuen alten Technologie? Welche Vorteile hat Gleichstrom? Gibt es bereits Projekte, die auf Gleichstrom setzen? Wer kann helfen, wenn Informationen gesucht sind? Und gibt es Produkte, die die Anwendung von Gleichstrom möglichst einfach und sicher machen? Die vorliegenden Seiten wollen einige Antworten auf diese Fragen geben. Denn es gibt sie bereits: Industrieanlagen, in denen Gleich- strom erfolgreich eingesetzt wird. Es gibt Fachleute, die die nötige Expertise zum sicheren Umgang mit dieser Alternative zum Wechsel- strom besitzen. Und es gibt spannende neue Produkte, die Gleich- strom so sicher machen, wie man es aus der Welt des Wechselstroms gewohnt ist. Phoenix Contact ist einer der weltweiten Vorreiter, wenn es um das Thema Gleichstrom geht. Wir entwickeln nicht nur die passen- den Komponenten, sondern setzen mit einer eigenen Gleichstrom- fabrik auch neue Maßstäbe in der Anwendung. Und wir erarbeiten in internationalen Organisationen gemeinsam mit den Marktbe- gleitern die dringend nötigen Standards. Denn wir sind überzeugt: Gleichstrom ist ein wichtiger Baustein, um die Energiewende erfolg- reich zu meistern und unserer Vision einer All Electric Society ein gutes Stück näher zu rücken. Das Innovationsmagazin von Phoenix Contact UPDATE 3 Dirk Görlitzer, CEO Phoenix Contact Impressum Phoenix Contact GmbH & Co. KG Corporate Communications Lutz Odewald (Chefredakteur) Telefon: +49 5235 3-42153 E-Mail: lodewald@phoenixcontact.com Gestaltung und Umsetzung: Corporate Communications, Graphic Design Bildnachweise: Andre Köller: 6, 9, 14 – 17, 18, 20 – 22 Thomas Franz: 3, 4/5 Richter R&W privat: 10 – 13 Copyright © 2025 by Phoenix Contact Alle Rechte vorbehalten.

2.760 Solarmodule sorgen auf 5.562 m2 für Energie vom Dach 1.090 kWp erzeugt die PV-Anlage maximal und speist diese Energie über 10 Wechselrichter ins Gleichstromnetz 1.701 m3 groß ist der Eisspeicher, der elektrische in thermische Energie einlagern kann 55

Direktbetankung: Aus dem Gleichspan- nungsnetz fließt die Energie hocheffizient in seine Abnehmer, hier in mobiler Form „Gleichstrom optimiert die gesamte Energiekette aus Erzeugung, Verteilung, Speicherung und Verbrauch.“ Tobias Lüke, Project Management Kommt zu viel Energie ins System, wird mit einem Batteriespeicher zwischengepuffert, ebenfalls hocheffizient dank Direktanbindung an das Gleichstromnetz → Das Innovationsmagazin von Phoenix Contact UPDATE 7 Verbraucher im Gleichstromnetz, beim Einspeisen über- nimmt es die Funktion eines Batteriespeichers – und hilft, dieses Netz zu stabilisieren. Lasten die Spitze nehmen Das allein reicht aber nicht aus: Tobias Lüke schließt die Ladesäule wieder ab und zeigt auf den unscheinbaren, weißen Container neben dem Eingangsbereich des Ge- bäudes. „Eine stabile Energieversorgung auf Basis von er- neuerbaren Energien bindet auch hinreichend große und zuverlässige Speicher ein, um Schwankungen auszuglei- chen“, erklärt der Gleichstromexperte. „Und wir können mit diesen Speichern Lastspitzen (Peaks) gegenüber dem öffentlichen Versorgungsnetz ausgleichen und erhebliche Betriebskosten sparen.“ In hochdynamischen Prozessen machen gerade die Lastspitzen Industriestrom so teuer. Es hat sich gezeigt, dass diese Lastspitzen dank Peak- Shaving um bis zu 80 Prozent in Gleichstromanwendun- gen reduziert werden können. Das freut jeden Controller im Unternehmen. Ungewöhnlich ist an diesem Speichersystem nicht nur, dass es direkt ins Gleichstromnetz eingebunden ist. Phoenix Contact kooperiert hier mit Voltfang, einem Start-up, das mit Antriebsbatterien aus der Elektromobi- lität arbeitet. Tobias Lüke öffnet den Container und zeigt nach innen: „Kälte, Nässe, Schnellladen oder Tiefent- ladungen: Second-Life-Batterien oder Batterien aus der Überproduktion für die Elektromobilität weisen in der Regel eine höhere Belastungsfähigkeit auf als speziell für die stationäre Anwendung entwickelte Batterien. Dieser Vorteil der hohen Zyklenfestigkeit wird hier ausgenutzt. Durch optimierte Betriebsstrategien und ein intelligen- tes Energie management wird die Lebensdauer dieser Batterie systeme maximiert und ihre Effizienz für statio- näre Anwendungen langfristig gesichert. In einem klima-

Es wird handfest Überall dort, wo DC-Lasten in der All Electric Society Factory sicher geschaltet werden müssen, kommt außer- dem der hauseigene Leistungsschalter, der ELR HDC, zum Einsatz. Er kombiniert die fünf Gerätefunktionen Schüt- zen, Schalten, Überwachen, Vorladen und Netzwerk- fähigkeit miteinander. DC-Energiezähler erfassen im gesamten Verbund die Energieströme. Um DC-Lasten steckbar miteinander zu verbinden, setzt man im Gebäude auf den ArcZero- Gleichstromsteckverbinder. Er ermög- licht das lichtbogen freie Stecken und Ziehen unter Last. Das Lastmanagement und das übergeordnete DC-Netz- management erledigt die Software-Plattform PLCnext Engineer von Phoenix Contact und vereint die einzelnen Bereiche zu einem ganzheitlichen System. Die Steuerung integriert zudem Daten wie Stromkosten an den Strom- börsen, Wettervorhersagen sowie tagesaktuelle Daten von der Messstation auf dem Dach in das Energiemanagement des Gebäudes. Nicht nur reden Die All Electric Society Factory in Blomberg besitzt in der Branche schon jetzt einen Ruf weit über die Landesgrenzen hinaus. Nicht nur reden, sondern auch umsetzen: Gleich- strom funktioniert schon hier und heute. Das zeigt die auf Gleichstrom konzipierte Fertigung mit ihrer Energie bilanz jeden Tag. Aber „diese Anlage ist ausdrücklich auch für Versuchszwecke und Betriebstests konzipiert“, ergänzt Tobias Lüke. Insgesamt erhoffen sich die Macher dieses Pilotprojekts noch weitere Einsparungen und Effizienz- steigerung. Geplant ist unter anderem der Aufbau einer Windkraft-Kleinanlage, ein Elektrolyseur für die Wasser- stofferzeugung und Brennstoffzellen, die wiederum Strom aus dem eingelagerten Wasserstoff erzeugen. Eine ausgeklügelte Gebäudesteuerung arbeitet mit dem Energiemanagementsystem zusammen Phoenix Contact engagiert sich schon seit Jahren bei Erforschung und Etablierung der Gleichstromtechnik und ist Gründungsmitglied der Open Direct Current Alliance (ODCA). Als die Planung des Gebäudes begann, gab es auf dem Markt kaum Komponenten und Standards für den Einsatz von DC-Technologie. Netzbetreiber hatten wenig Erfahrung mit Gleichstromsystemen. Die Suche nach geeigneten Planern und Installateuren gestaltete sich schwierig (siehe Seite 10). Heute sei das anders, betont Tobias Lüke: „Mit den verfügbaren Komponenten, regu- latorischen Fortschritten, zunehmender Expertise und Zusammenarbeit mit kompetenten Partnern lohnt es sich auch für andere Unternehmen, den Schritt zu wagen.“ Es ist dunkel geworden in Blomberg. Wir sind am Ende der Führung und Tobias Lüke schließt das Tor zu einem der momentan innovativsten Fabrikgebäude überhaupt. (is/lo) ODCA – der Wegbereiter Es ist nicht immer einfach, wenn man zur techno- logischen Speerspitze zählt. Denn vieles, was in der Praxis im eigenen Umfeld klappt, lässt sich noch lange nicht auf andere Anwendungen spiegeln. Systeme müssen miteinander auch über den eigenen Betriebszaun hinweg arbeiten können, sonst werden aus Ideen teure Flops. Die Entwicklung im Gleichstrom ist rasant. Aber wenn Unternehmen über lokale Gleichstrom- netze Betriebskosten einsparen wollen, ist das heute einfacher denn je: Die Open Direct Current Alliance (ODCA) hat eine „System beschreibung für DC-Microgrids im Niederspannungs bereich“ als deutsche Vornorm VDE SPEC 90037 veröffentlicht. VDE SPECs dienen als wertvolle Referenzdoku- mente für Planer, Installateure und Endanwender. Besonders in Bereichen, in denen es noch keine Normen gibt, erleichtern diese den Genehmigungs- prozess erheblich. Mehr als 100 Expertinnen und Experten aus mehr als 70 Unternehmen haben eine umfassende Beschreibung von DC-Microgrids an- hand von zehn Modellanwendungen entwickelt und validiert. Die Arbeitsgruppe des deutschen Kompe- tenzzentrums für elektrotechnische Normung, DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik) hat die Empfehlungen geprüft und zur Veröffentlichung freigegeben. Das Innovationsmagazin von Phoenix Contact UPDATE 9

DC handfest Egal wie viele Vorteile Gleichstrom auf seiner Seite hat – es gibt nach wie vor auch in Fachkreisen massive Vorbehalte gegen den Umgang mit DC. Und viel zu wenige Fachleute, die nicht nur planen, sondern auch installieren. Bernd Zeilmann ist eines dieser raren Exemplare. Bernd Zeilmann ist Geschäftsführer von Richter R&W Steuerungstechnik D en Weg nach Blomberg kennt Bernd Zeilmann mittlerweile fast im Schlaf. Der Obermeister der Elektroinnung Bayreuth ist einer der Umset- zer der Gleichstromfabrik an der Flachsmarktstraße. Ob Handwerk, Industrie oder Forschung – Bernd Zeilmann ist überall zuhause und weiß genau, was funktioniert und wo es Schwierigkeiten gibt in Sachen Gleichstrom. Was treibt einen gelernten Elektroinstallateur und Kunden auf dem Weg zur Klimaneutralität.“ Aus diesem Antrieb haben Zeilmann und seine Kollegen in der Bay- reuther Innung den Austausch mit dem Fraunhofer Ins- titut IISB in Erlangen gesucht, um gemeinsam Lösungen für die Energiewende zu entwickeln. Die Praktiker wollten und wollen die Technologieentwicklung schneller ma- chen, vom Prototypen über den Demonstrator bis zur Se- rienreife. Denn, so Bernd Zeilmann: „Wir stehen da nicht Meister aus einem klassischen Handwerksbetrieb dazu, national, sondern global im Wettbewerb.“ sich auf so innovatives Parkett zu wagen wie die DC-Tech- nologie? Man merkt Meister Zeilmann sofort an, dass er für das Thema Innovation brennt: „Mein Ziel ist es, die hohe Qualität unserer Arbeit im Innungshandwerk zu er- halten und noch auszubauen. Das erklärt mein Interesse an Innovationen und der Forschung. So bin ich auch auf den Begriff der All Electric Society aufmerksam geworden, die ja eine Möglichkeit sein kann, um die nötige Energie- wende umzusetzen. Wie komplex dieses Vorhaben sein kann, zeigte sich schnell. Vor gut acht Jahren wollte das Fraunhofer Insti- tut in Erlangen das erste Forschungs-DC-Netz aufbauen. Aber selbst das renommierte Institut fand zunächst keine Fachfirma, die solch ein Gleichspannungsnetz errichten konnte. Richter R&W nahm an der Ausschreibung teil und erhielt prompt den Zuschlag für die DC-Energievertei- lung. Der pfiffige Zeilmann dachte gleich weiter und ins- tallierte auch im eigenen Betrieb ein innovatives DC-Netz. Wir haben bei Richter R&W schon immer Schaltanlagen gebaut und Automatisierungslösungen für den in unserer Link zur Industrie Region stark vertretenen Maschinenbau entwickelt, uns da auch mit Software und Steuerungen beschäftigt. Mit dem Thema einer innovativen Energieverteilung auf Ba- sis von Gleichstrom erweitern wir unseren Kundenkreis Neben Planung und Installation des Gleichstromnetzes in der All Electric Society Factory waren die Fachleute aus der fränkischen Schweiz zuletzt auch für die „NExT Factory“ des Gleichstrompioniers Schaltbau aus München im Ein- und unterstützen dadurch kommunale und gewerbliche satz. Und die Zahl an innovativen Vorhaben nimmt zu: → Das Innovationsmagazin von Phoenix Contact UPDATE 11

Alltag in der Installation von Anlagen: Die Qualität der Erdung wird gemessen Auch beim Thema bidirektionales Laden ist Richter R&W ein praktischer Vordenker „Wir können froh sein, dass der Boom bei E-Mobilität und Wärmepumpen bisher ausgeblieben ist.“ Bernd Zeilmann, Geschäftsführer R&W Steuerungstechnik Anschlüsse an das Mittelspannungsnetz sind extrem teuer. Da ist die Überlegung, doch eher ans Nieder- spannungsnetz zu gehen und mögliche Lastspitzen in der Produktion abzufedern durch Batteriespeicher und Bremse Facharbeiter Die Chancen scheinen riesig. Doch gibt es auch Hemm- nisse auf dem Weg zur perfekten Energiewende? Zeil- mann seufzt: „Ganz klar den Fachkräftemangel. Was nützt Eigen stromerzeugung mit einem DC-Netz. Bei der ‚NExT Factory‘ von Schaltbau geht man von einer 70 Prozent niedrigeren Anschlussleistung aus. Die haben ein Hoch- der Industrie die schönste Komponente, wenn sie keiner einbauen kann? Schon bei den Themen Wärmepumpen oder E-Autos musste man eigentlich froh sein, dass der regallager, das mit einem DC-Netz läuft. Durch Rekupe- ration und Batteriespeicher wird ein großer Teil der An- schlussleistung eingespart.“ Die Errichtung von industriellen Gleichstromnetzen große Boom bisher ausgeblieben ist. Wir hätten gar nicht die Fachleute, um überall tätig zu werden. Die Elektrofir- men in den Innungen sind alle zu 100 Prozent ausgelas- tet. Nicht umsonst beginnen mittlerweile etwa asiatische hat einen wichtigen wirtschaftspolitischen Aspekt: „Der Konzerne, deutsche Handwerksbetriebe aufzukaufen.“ durchschnittliche Industriestrompreis liegt momentan bei etwa 20 bis 30 Cent pro Kilowattstunde. Strom, der selbst produziert wird, kostet lediglich die einmalige Investition in Technologie und den laufenden Unterhalt. Da rechnet man mit etwa 6 bis 8 Cent pro kWh. Und da reden wir alle über Subventionen von Industriestrom für die deutsche In- dustrie? Die Lösung liegt in einer Kombination aus Eigen- erzeugung und Zukauf mit dynamischem Strompreis!“ Deshalb eine klare Botschaft von Obermeister Bernd Zeilmann an die Industrie: „Wir müssen aufgrund des Fachkräftemangels automatisiert vorfertigen. Die Zeiten, in denen wir Verteilungen vor Ort händisch verdrahten konnten, sind vorbei. Das schaffen wir personell nicht mehr, wenn die Qualität weiter hoch bleiben soll.“ (lo) richter-rw.de Das Innovationsmagazin von Phoenix Contact UPDATE 13

Viel mehr als nur „Showschränke“: das Ri4Power System von Rittal „Ein Störlichtbogen ist ein Ereignis, das es normalerweise gar nicht geben darf.“ Rainer Durth, Fachleiter Schutztechnik Phoenix Contact 15

Zeiten teuer und begehrt. Daher müssen alle dierende Gas will sich ausdehnen. Daher sind Schritte sorgfältig geplant sein. „Und Störlicht- bogen-Prüfungen im Gleichspannungsnetz mit Glastüren unseres Ri4Power Systems waren für uns auch Neuland. Das ist schon sehr speziell“, erklärt Zafer Cankurtaran die Situation im Blom- berger Prüflabor. Jörg Kreiling ist Leiter des Produkt-Manage- ments Energy & Power Solutions und einer der Treiber der Gleichstromtechnologie bei Rittal. die ersten Sollbruchstellen Gummistopfen im oberen Gehäusedeckel. Die fliegen weg und sorgen für eine gerichtete Expansion, sodass Personen vor dem Schrank nicht gefährdet werden. Wird die unkontrollierte Energie nicht abgeregelt, biegt sich das Dach des Schranks nach oben weg, sodass der immer stärkere Druck nach oben entweichen kann. Wird der Druck weiter erhöht, fangen die Seitenwände Er erklärt: „Ein Kurzschluss im Wechselstrom- bereich ist relativ gut beeinflussbar. Gleich- strom mit der gleichen Spannung ist wesent- an, sich nach außen zu wölben. Normaler weise sind die Wände an sechs definierten Stellen verschraubt. In Niederspannungsverteilungen lich energiereicher und damit zerstörerischer, sind das bis zu zwölf Verschraubungen, damit wenn es einen Störlichtbogen gibt. Es gibt in die Wände am Rahmen bleiben. technischen Anlagen verschiedene Sicherheits- stufen, die eingehalten werden müssen.“ Zafer Cankurtaran ergänzt: „Es gibt bei den Störlicht- bogen-Prüfungen drei Schutzklassen. C bedeu- tet, dass die Anlage hochverfügbar bleibt. Der Störlichtbogen wird während seiner Entste- hung gelöscht, noch bevor er seinen zerstöreri- schen Effekt entfalten kann. Das wird mit Sen- sorik im Schrank überwacht. B bedeutet, dass der entstandene Störlichtbogen im Feld bleibt, sich also nicht über das Feld ausdehnt. Schutz- klasse A ist dann der Personenschutz. Diese Prüfung ist normativ beschrieben. Um die An- lage herum werden in 300 mm Abstand Indika- toren aus Baumwoll- oder Seidenmaterial auf- gestellt. Nach Auslösung des Störbogens darf kein Faden oder Tuch irgendeine Beschädigung Zafer Cankurtaran ist bei Rittal Experte für Gleichstromtechnologie aufweisen. Genau diesen Test haben die Prüf- schränke in Blomberg mit Bravour bestanden.“ „Der Schwachpunkt sind die Türen, denn die Weit unter der Belastungsgrenze sind beweglich. Bei der Scheibe arbeiten wir mit Sind die geprüften Schaltschränke mit der Gleichspannung in der All Electric Society Factory schon am oberen Zenit ihrer Leis- tungsfähigkeit? Jörg Kreiling schmunzelt: „Bei Phoenix Contact wurde eine Kurzschlussfestig- keit von 10 kA getestet. Das ist für uns wenig. Wir arbeiten und testen unsere Schränke eigentlich nicht unter 100 kA, also im Bereich von Nieder- spannungsanlagen. Bei diesen Anwendungen Einscheibensicherheitsglas, das im schlimms- ten Fall nicht splittert, sondern krümelt. Dop- pelscheiben sind einfach viel zu schwer für die Türen. Ich kann auf der Scharnierseite verstär- ken, auch mit weiteren Scharnieren. Aber auf der anderen Seite sitzt ein Verschluss, der ja noch bedienbar bleiben muss. Und das ist ein neuralgischer Punkt, der halten muss.“ Und öffnen sollen sich diese Türen, denn können wir allerdings keine Sichtschutztüren schließlich müssen die Praktiker an die An- mehr einsetzen, die würden sich in Wohlgefal- len auflösen.“ lagen kommen. Gefragt sind Schau- und keine Showschränke. (lo) Wichtig ist das Verhalten der Gehäuse bei hohen Drücken, die bei der Entstehung von Störlichtbogen explosiv auftreten. Das expan- Zu Besuch bei Rittal: update.phoenixcontact.com Das Innovationsmagazin von Phoenix Contact UPDATE 1717

Diese Aussage aus Gleichstrom-Forschungs- T rennen unter Last das wird es nicht geben.“ kreisen hat Marc Klimpel, seines Zeichens Ent- wicklungsingenieur bei Phoenix Contact, im Ohr, wenn es um den Ursprung des innovativen Gleichstromsteckers „ArcZero“ geht. „Jahrzehntelang hat man an dieser Sicht- weise festgehalten“, erzählt er. „Trennvorgänge waren nur nach vorheriger Abschaltung des Stroms möglich“. Denn beim ungesicherten Trennen von Gleichstromverbindun- gen entsteht ein Lichtbogen. Das passiert beim Wechsel- strom zwar auch, doch da hier permanent die Fließrich- tung des Stroms umkehrt, ist der AC-Lichtbogen in der Regel deutlich kürzer und damit ungefährlicher. Ganz anders als beim Gleichstrom, denn hier will der Einbahn- straßen-Elektronenstrom nicht von seiner Fließrichtung lassen und überbrückt bei Trennversuchen auch längere Distanzen per Licht bogen. Und der kann mehrere tausend Grad heiß brennen. Trennen ohne Abschaltung Elektronik im Stecker macht ein Ziehen unter Last möglich machen. Der lange Atem in Sachen Entwicklung trägt in- novative Früchte: Ende 2023 wurde der Gleichstromste- cker „ArcZero“ vorgestellt. Wie sein Name schon sagt, hält er den Lichtbogen (engl. electric arc) in Schach, genauer „auf null“ (engl. zero). Der Trick: Eine kleine Platine im Inneren des ArcZero überwacht den Status der Strom- verbindung. Zieht man am Stecker, erwacht die Platine schlagartig zum Leben, zieht ihre Energie aus den ersten Funken des entstehenden Lichtbogens und löscht diesen innerhalb von Millisekunden. Pingelige Kontrolle Entwickler Marc Klimpel schildert die Herausforderungen bei der Entwicklung: „Für uns in der BU war es neu, Elek- tronik im Steckverbinder zu haben. Dazu noch eine aktive Deshalb galt bis vor Kurzem: Trennvorgänge sind nur Elektronik, die für diese Spannungen ausgelegt ist – auch nach vorheriger Abschaltung der gesamten Anlage mög- das war Neuland.“ Der ArcZero-Stecker bekommt des- lich. Damit waren Gleichstromnetze in Sachen Sicherheit und Bedienkomfort den Wechselstromnetzen hoffnungs- los unterlegen. Was zu zahlreichen Forschungsaktivitäten führte, denn zum einen entsteht bei der Gewinnung von Strom aus regenerativen Quellen zunächst Gleichstrom. Und auch die meisten Verbraucher wollen mit ihm betrie- ben werden. Doch die allgemeine Netzstruktur besteht aus Wechselstromnetzen, die sicherer sind und für den halb eine 100-Prozent-Kontrolle. Klimpels Kollege Dat-Tri Trinh begleitet den ArcZero durch seine Labor zyklen aus der Vorserienentwicklung. Er hat den Prototypen also quasi vom Entwicklungsstatus zum Serienzustand beglei- tet. Er erklärt: „Jeder Stecker wird manuell elektrisch ge- prüft. Kein Ausschussteil verlässt die Fertigung, da wird hart kontrolliert. Das garantiert 100 Prozent Sicherheit und Funktionalität.“ Transport über längere Strecken wesentlich geeigneter. Das richtige Produkt zur richtigen Zeit, denn Gleich- Also wird der Strom auf seinem Weg von Erzeugung bis Verbrauch in Akku, Display oder Platine transformiert. Dabei geht ein Teil der Energie verloren. Seit 2018 wird bei Phoenix Contact daran gearbeitet, den Gleichstrom anwenderfreundlicher handhabbar zu strom ist ein echtes Boom-Thema. Und der ArcZero ein Meilenstein in der Entwicklung von Gleichstromtechnolo- gie. Der innovative Stecker wurde unter anderem von Elek- tronik.net, dem Webdienst der WEKA-Fachmedien, zum Elektronikprodukt des Jahres 2024 gewählt. (lo) Schneller Schalter Schützen, überwachen und vor allem sicher schalten: Der Contactron ELR HDC (Electronic Load Relay – Hybrid Direct Current) ist der erste multifunktionale DC-Leistungsschalter, der speziell für industrielle Gleich strom anwendungen entwickelt wurde. Das Multitalent ermöglicht lichtbogenfreies Schalten in Gleichstromnetzen dank hocheffizienter Halbleiter und galvanischer Trennung. Mit der eingebauten Sensorik überwacht der ELR-Leistungsschalter Strom, Spannung und Tempe- ratur. Und dank der eingebauten IO-Link-Schnittstelle können diese Daten in Anlagennetze übermittelt werden. So ist auch ein Fernzugriff durch Leitstände möglich. Der ELR schützt angeschlossene Lasten gegen Überlast bis hin zum Kurzschluss. Und das super schnell, dank seriellem Halbleiterschalter im Fehler fall in weniger als zehn Mikrosekunden. Das Innovationsmagazin von Phoenix Contact UPDATE 19

I m Alltag sind wir permanent von Gleichspannung umgeben. „In jedem elektrischen Gerät, das ein Display hat, von Waschmaschine über Smartphone bis Autoelektronik, steckt Gleichstrom. Jeder elektrische Antrieb funktioniert in der Regel mit Gleichstrom und Fehlt noch die Ressourcenschonung, die schon bei der Einsparung von Material beginnt, da die benötigten Kupfer leitungen deutlich geringere Querschnitte aufwei- sen. Und die benötigte Anschlussleistung, also die Menge an elektrischer Energie, die der Netzbetreiber vertraglich jede Batterie speichert Gleichstrom. Es gibt nur ganz we- zur Verfügung stellt, kann um rund zwei Drittel geringer nige Geräte, etwa alte Toaster oder Bügeleisen, die direkt ausfallen als bei einem herkömmlichen Wechselspan- mit Wechselstrom funktionieren“, erklärt Martin Wetter. nungsanschluss. „Das spart sofort bares Geld, noch bevor Und Christian Helmig ergänzt: „Durch die regenerativen eine Maschine überhaupt läuft“, erklärt Christian Helmig. Energie erzeuger, vor allem Solar, ist Gleichspannung wie- der ein großes Thema geworden. Ob in Solarmodulen oder Windrädern, hier wird die eingefangene Energie zunächst einmal in Gleichstrom umgesetzt. Und in Elektromobilen treiben Batterien mit Gleichstrom die Räder an.“ Die beiden Ingenieure sind Absolventen des Dortmun- der Lehrstuhls für Hochspannungstechnik, an dem sie auch gemeinsam promoviert und gearbeitet haben. Den Münsterländer Wetter zog es schon 1997 ins ostwest- fälische Blomberg. Er leitete lange Zeit das weltweit renommierte Überspannungslabor Trabtech auf dem Campus von Phoenix Contact und verantwortet heute das Kerngeschäft Power Reliability. Der Westfale Helmig folgte im Abstand von fünf Jahren und leitet heute den Bereich Field Device Connectors im Unternehmensbereich der Geräteanschlusstechnik. Vorteil Gleichstrom Es sind handfeste Argumente, die den späten Nachfolgern von Thomas Alva Edison in die Karten spielen: Effizienz, Speicherbarkeit und Ressourcen. Sofort ersichtlich ist, dass bei jeder Transformation von Energie ein Teil davon in Wärme verloren geht. Wird Strom durch Wind oder Sonne erzeugt, liegt er zunächst in Gleichspannung vor. Die Wandlung in Wechselstrom „frisst“ rund 20 Prozent der ursprünglichen Energie. Die kann eingespart werden, Die drei Trümpfe von DC Effizienz Rund 20 Prozent Energie lassen sich bei der Nutzung von Gleichstrom einsparen Speicherbarkeit Gleichstrom ist die Energieform der Batterietechnologien. Damit wird Strom direkt speicherbar Ressourcen Neben der Effizienz spart Gleichstrom dank geringerer Kupferstärken an Material setzt man gleich auf Gleichstrom. Vorteil Wechselstrom Der zweite Vorteil ist die Rekuperation, also die Nut- Wechselstrom spielt seine Vorteile bei der Energieüber- zung von überschüssiger Bewegungsenergie. „Das geht mit Gleichstrom besonders einfach. Und das ist nicht nur bei der Elektromobilität wichtig, sondern auch in vielen industriellen Bereichen wie etwa Hochregalsystemen oder Industrierobotern. Energie wird zurückgewonnen, wenn sich die Bewegung verringert“, fügt der Innovations- manager Wetter an. „Effizienz ist also eines der zentralen Themen, wenn es um den verstärkten Einsatz von Gleich- strom geht.“ Die direkte Speicherbarkeit ist ein weiterer Pluspunkt. Energie aus Batterien ist Gleichstrom. Gleichstrom- systeme können Energie ohne Wandlung direkt in Batte- rien speichern oder abrufen. Die Komplexität der Systeme nimmt ab, was wiederum zu Effizienzsteigerungen führt. tragung über weite Strecken aus. Dr. Wetter: „Wenn ich eine gewisse Leistung übertragen will, brauche ich Strom mal Spannung. Will ich viel Leistung übertragen, muss ich Strom oder Spannung oder beides erhöhen. Die Über- tragungsverluste auf solchen Leitungen hängen aber aus- schließlich vom Strom ab. Die steigen sogar quadratisch, also doppelter Strom gleich vierfache Verluste. Deswegen überträgt man große Leistungen über weite Distanzen mit Wechselstrom, mit hohen Spannungen. So minimiert man Übertragungsverluste. Die Umwandlung geschieht mit entsprechenden Transformatoren einfach und überra- gend zuverlässig.“ In der klassischen Technik der Verteil- netze mit wenigen großen Kraftwerken und sternförmiger Verteilung ist Wechselstrom also gesetzt. → Das Innovationsmagazin von Phoenix Contact UPDATE 21

Kampf mit allen Mitteln Die Auseinandersetzung zwischen den Erfindern Thomas Alva Edison (1847 – 1931) und George Westing- house (1846 – 1914) gilt heute als der erste Formatkrieg der Wirtschafts- geschichte. Bei diesem erbitterten Kampf war vor allem dem legendären Edison kein Trick zu schmutzig. In der Anfangszeit der Elektrik wurden zunächst kleine, regionale Strom- netze aufgebaut. Beleuchtung durch Kohlebogen- oder Kohlefadenlampen war die zentrale Aufgabe der neuen Energieform, dazu kamen erste kleine Gleichstrommotoren. Edison hatte die Kohlefadenlampe entwickelt, die AC George Westinghouse hat den Wechselstrom etabliert Gleichspannung benötigte. Die ideale Spannung zum Betrieb waren 110 Volt. Edison begann Anfang der 1880er- Jahre, erste Kraftwerke zu errichten. 1881 wurde der Transformator er- funden, mit dem der Transport größerer Energiemengen über weite Strecken kostengünstig möglich war. 1887 wurde von Nikola Tesla der Zweiphasenwech- selstrom erfunden und vorgestellt. Damit gab es zwei konkurrierende technische Systeme und einen Wettlauf darum, welche Technologie sich am Markt etablieren sollte. Schnell war klar, dass Wechsel- spannung entscheidende technische Vorteile hatte. Doch Edison versuchte, die von ihm favorisierte Gleichspan- nung mit allen Mitteln durchzusetzen. Er sagte den Nutzern von Wechsel- spannung einen schnellen Tod voraus, versuchte mit patentrechtlichen Tricks, seine Gleichspannungsnetze zu fördern und ging soweit, dass er in öffentlichen Versuchen Tiere durch Stromschläge umbrachte. Natürlich gespeist aus Wechselspannungsnetzen. Trotzdem setzte sich das Wechsel- stromnetz durch. 1892 erhielt Westing- house den Auftrag, die Weltausstellung 1893 in Chicago zu beliefern. Gleich- zeitig stellte er eine Glühlampe vor, die die Patente von Edison umging. Damit war der Krieg entschieden. Edison gab später zu, dass sein Beharren auf den Gleichspannungsnetzen der größte Fehler seiner Karriere war. DC Er gilt als einer der glänzendsten Köpfe seiner Zeit: Thomas Alva Edison Mitte des 20. Jahrhunderts waren in Europa alle Gleichspannungsnetze verschwunden. In New York wurden dagegen 1998 noch 4.600 Kunden mit Gleichspannung beliefert. Doch mittler- weile erlebt die Gleichspannung eine ungeahnte Renaissance. (lo) Das Innovationsmagazin von Phoenix Contact UPDATE 23