è Herr Görlitzer, seit August 2020 sind Sie einer der „Neuen“ in der Geschäftsführung von Phoenix Contact. Was ist für Sie neu an Ihrem Aufgabengebiet als Mitglied des Management Boards? Was ist für mich wirklich neu? Das Kennenlernen von überge- ordneten Steuerfunktionen unseres Unternehmens, also etwa den Beirat oder den Gesellschafterkreis, die ich natürlich als Personen kenne, aber noch nicht in ihren Wirkmechanismen – das ist für mich neu und spannend. è Betrifft das auch neue Aufgaben im inter nationalen Bereich? Ich war schon immer sehr international aufgestellt, auch die Business Area ICE war von Beginn an sehr international. Eine meiner ersten Parallelaufgaben zu meiner damaligen Funk- tion als Divisionsleiter war es, unser Werk in Polen aus der gesamten Gruppensicht zu verantworten. Indien fasziniert mich, dort habe ich Shared-Service-Kon- zepte aufgebaut. Und jetzt habe ich in der Geschäftsführung die übergreifende Verantwortung für drei großen Märkte, für China, Russland und für Indien bekommen. Wir wollen diese definierten Märkte zu Centers of Competence ausbauen, mit eigenständigen Entscheidungsräumen. Die Herausforderung wird es sein, diese Eigenständigkeit zu fördern und die Orga- nisationen damit flexibel und agil auszurichten, gleichzeitig aber die Anbindung an unser Headquarter und damit Syner- gien im weltweiten Kontext nicht zu verlieren. Ich bin normalerweise dreimal pro Monat unterwegs, kom- muniziere aber häufig über Kurznachrichtendienste kurz und knapp oder telefoniere. Ich bin also sehr dicht auch im inter- nationalen Bereich an unseren Prozessen, auch wenn ich nicht immer vor Ort sein kann. è Fehlen da nicht noch ein paar spannende Länder, etwa die Tigerstaaten Südostasiens? Strategie ist auch Mut zum Verzicht (lacht). Wenn wir über die Centers of Competence reden, dann reden wir über um- fassende Wertschöpfungsketten, Vertrieb, Entwicklung und Produktion. Produktion und Entwicklung können wir nicht in allen Regionen dieser Welt gleichzeitig aufbauen, das würde auch unsere Ressourcen überfordern. Man sollte gehen, bevor man läuft. Wir fangen jetzt in den beschriebenen Ländern an, diese Strategie zu etablieren, achten auf unsere Stärken und Synergien und werden perspektivisch auch andere Zonen in dieses Konzept mit aufnehmen. è Sind Sie eigentlich ein Ostwestfale? Nein! Ich bin ein Niedersachse. Ich komme aus einer ganz klassischen Arbeiter- und Handwerkerfamilie, habe zunächst eine Lehre absolviert und als Elektromaschinenbauer gear- beitet. Eine akademische Laufbahn war mir also nicht in die Wiege gelegt. Studiert habe ich zwar in Lemgo, allerdings in einer Art Selbststudium. Tagsüber war ich häufig in Beruf und Familie eingebunden, Zeit fürs Studium war dann oft nur abends. Und als junger Familienvater mit knappem Budget habe ich am Wochenende auf dem Blumengroßmarkt gearbei- tet. In den Semesterferien habe ich dann Anlagen wie diese hier im Steinbruch gewartet und repariert. Das zahlt sich für mich noch immer aus. Wenn ich heute in den Schaltschrankbau gehe, mit den Werkern über ihre Prob- leme spreche, die oft eine sehr direkte und ehrliche Kommu- nikation pflegen, dann verstehe ich diese Welt. Ich kann mich mit den Leuten an der Werkbank genauso unterhalten wie mit den Kollegen, die in leitenden Positionen im Büro tätig sind. è Wie sind Sie zu Phoenix Contact gekommen? Im Studium gab es die Möglichkeit, zusätzliche Seminare zu belegen. Da gab es ein Seminar „Vertrieb und Marketing“, das von Vertretern verschiedener Firmen veranstaltet wurde. Und dabei empfand ich den Teil, der von Phoenix Contact gestaltet wurde, extrem positiv, sowohl inhaltlich als auch menschlich. Das war für mich die Basis, um hier meine Bewerbung abzu- geben. Das ist jetzt 26 Jahre her. è Wie waren Ihre Anfänge bei Phoenix Contact? Ich habe 1994 als Produktmanager angefangen, für die gute alte Reihenklemme. Damals war das Unternehmen noch deut- lich kleiner. Es war die Phase, wo wir eine Matrixorganisation aufgebaut haben. Da war sehr viel Aufbruchstimmung, eine sehr spannende Zeit. Für den Bereich Reihenklemmen gab es drei Mitarbeiter, die alles verantwortet und gestaltet haben. Einer davon war ich. Sehr klein, super familiär. Ich sollte an- fangs etwas zur Rohrpost bringen, da habe ich gedacht, die wollten mich als den Neuen auf den Arm nehmen. Bis ich begriff, dass es hier tatsächlich noch eine Rohrpost gab. Das war genau die Zeit, in der man der Reihenklemme schon das nahe Ende prophezeite. Es war die Zeit der Feldbusse, es gab die Theorie, dass die Feldbusse die Reihenklemmen ersetzen würden. Ein ziemlicher Irrtum (schmunzelt). Ich hatte dann unterschiedliche Aufgaben, habe mich ent- wickelt zum Gruppenleiter. 1999 bin ich dann BU-Leiter ge- worden, danach Divisionsleiter und dann BA-Leiter. Hört sich linear an, war aber immer „gewürzt“ mit Sonderaufgaben vor allem im internationalen Bereich. Und im August letzten Jah- res bin ich dann Mitglied der Geschäftsführung geworden. è Nun wird man nicht quasi durch Betriebszugehörig- keit nach 26 Jahren automatisch Geschäftsführer. Was ist es, was Sie vor anderen auszeichnet und qualifiziert? Ich habe Lust am Erfolg, für das Unternehmen und auch als Person. Das meine ich nicht in einer negativen Ausprägung, sondern als positive Weiterentwicklung. Ich habe immer gern à Das Innovationsmagazin von Phoenix Contact UPDATE 2/21 49