N AC H G E F R AG T erreiche ich nur die Idealisten, die Verantwortung aus sich heraus übernehmen. Das sind aber nur 10 oder 20 Prozent, nicht die entscheidende Masse. è Attraktivität für den Einzelnen und für die Unterneh- men bedeutet aber, dass die Politik die Rahmenbedingun- gen dafür schaffen muss. Das sind die Einzigen, die diese Rahmenbedingungen erstel- len können. Ein Beispiel ist die Notwendigkeit, CO2 zu beprei- sen. Das muss das entscheidende Steuerungselement sein, mit dem wir arbeiten. Damit lohnt es sich, weg vom CO2 und hin zu regenerativen Energien zu denken und zu wirken. Dazu müsste man keine neuen Steuern erfinden. Die, die es schon gibt, müssten so austariert werden, dass sich Zu- kunftstechnologien schneller rentieren und wettbewerbsfähig sind. Das machen wir heute noch nicht konsequent genug. Da gibt es noch zu viel Widerstand aufgrund von angeblichem Vertrauens- oder Investitionsschutz. Aber der nötige gesell- schaftliche Wandel ist eben auch riesengroß. è Kommen der Wandel und die damit verbundenen Disruptionen in Technologie und Wirtschaft zu langsam? Das ist immer die Frage, welchen zeitlichen Maßstab Sie da- bei ansetzen. Wenn man heute sagt, das dauert noch 20 Jah- re, dann hört sich das quälend langsam an. Wenn Sie sich in 20 Jahren umsehen, dann sehen Sie, dass kein Stein auf dem anderen geblieben ist. Das ist schon mächtig disruptiv. Für ein Sozialsystem, für eine Gesellschaft sind 25 Jahre ein ganz kurzer Zeitraum. In der Zeit kann man fast keine Transforma- tion zu Ende bringen, ohne dass es schwer Benachteiligte gibt. Und das müssen wir unbedingt vermeiden, dass durch diese Transformation ein Bruch durch die Gesellschaft geht und es große Gruppen von Menschen gibt, die dadurch zu Ver- lierern werden. alle. Und das, ohne dass der CO2-Ausstoß weiter zunimmt und wir den Ast absägen, auf dem wir sitzen. Das geht nur über Innovation. è Erwarten Sie, dass die Nutzung fossiler Energieträger völlig eingestellt wird? Wir werden diese Energieträger anders nutzen, etwa zur Her- stellung von Kunststoffen oder Arzneien. Da werden sie unver- zichtbar bleiben. Erdgas ist ja schon längst für die chemische Industrie nicht nur ein Energieträger, sondern auch Basisstoff für viele Produkte. Wir müssen davon ausgehen, dass wir in den nächsten 20 bis 30 Jahren weltweit alle Prozesse, in denen der Mensch CO2 freisetzt, so verändern, dass eben kein Koh- lendioxid mehr freigesetzt wird. è Ökonomie im Dienst der Ökologie – ist das jetzt, pro- vokant gefragt, das grüne Mäntelchen einer Branche? Nein, eher das Gegenteil. Wir müssen akzeptieren, dass das wirkmächtigste Instrument für Veränderungen das System der Marktwirtschaft ist. Für den Unternehmer muss es sinnvoll und gewinnträchtig sein, in Dekarbonisierung zu investieren, dann wird er es tun. Und für den einzelnen Menschen muss es ebenfalls finanziell attraktiv sein, sich mit CO2-freien Dingen auseinander zu setzen. Damit setze ich die Ökonomie in den Dienst der Ökologie. Nur wenn wir es schaffen, diesen Anreiz zu geben, dann werden sich alle dahinter versammeln. Sonst 62 UPDATE 6/20 Das Innovationsmagazin von Phoenix Contact