FAMILIE 91 Prozent aller deutschen Unternehmen sind familiengeführt 87 Prozent der deutschen Familien- unternehmen sind eigentümergeführt 2,8 Billionen Euro Umsatz familiengeführter Unternehmen (2017) unabhängig ist, nicht ohne Weiteres treffen. Dann kommen Banken oder Aktionäre, die ihre Stimme erheben und sagen, man müsse jetzt gegensteuern. Ich habe erlebt, wie es etwa in der Automo- bilbranche zuging, als Fremdkapitalgeber zu- nehmend unternehmerische Entscheidungen hinterfragt haben. Da wird dann oft nach Finanz- kennzahlen geurteilt und unter Umständen treten Automatismen in Kraft. Es können Zinsen steigen oder z. B. Investment beziehungsweise Hedge- fonds ins Spiel kommen. Dann haben sie auf ein- mal externe Manager an Bord, die an ihre jewei- ligen Chefs berichten und ganz eigene Interessen verfolgen. Diese müssen nicht zwangsläufig zu der eigentlichen des Unternehmens passen und kön- nen unternehmerische Entscheidungsspielräume limitieren. è Wann ist der richtige Zeitpunkt, um korri- gierende Maßnahmen einzuleiten? In Zeiten von Markt- und Umsatzwachstum, glo- baler Aufbruchstimmung und disruptiven Techno- logiesprüngen wie in der letzten Dekade werden Herausforderungen, die jedes Unternehmen hat, gern auch mal kaschiert – das nennt man den so- genannten Eisbergeffekt. Wenn aber die Märkte enger werden, die Umsatzzuwächse rückläufig sind, die Konjunktur in eine Rezession dreht, dann ist es wichtig, dass sich die Kultur eines Unternehmens zeigt. Hier spielt die Familie als Unternehmer, auch als Wächter der Kultur, die entscheidende Rolle. Und es ist für alle Beteiligten wesentlich, ob hier auch andere Interessengruppen mit am Tisch sit- zen oder nicht. Grundsätzlich gilt natürlich, dass jedes Unter- nehmen in guten Zeiten die unternehmerischen Hausaufgaben machen sollte. Rechtzeitig und im Einklang mit der Kultur unabhängig agieren zu können, ist eine große strategische und auch ope- rative Stärke eines Unternehmens. è Wie kann man das erreichen? Gerade in den jetzigen Zeiten vor dem Hintergrund von Handelskonflikten, Brexit, nachlassender Konjunktur und hohen Unsicherheiten bei Inves- titionsvorhaben ist die finanzielle und damit die unternehmerische Entscheidungsfreiheit ein rie- sengroßer Wert. Daher bin ich sehr dafür, im Rah- men klug gesetzter Grenzen lieber an der Ausga- benseite zu arbeiten, konsequent zu sparen, auch mal ein durchaus interessantes Unternehmen nicht zu übernehmen, nicht jede Wachstumsoption zu verfolgen, auch wenn sie noch so lockt – aber dafür sicher zu stellen, dass man unabhängig bleibt. è Macht Unabhängigkeit nicht auch einsam? Nein. In Zeiten besonderer Herausforderungen sind funktionierende Netzwerke und Koalitio- nen über Unternehmensgrenzen hinweg ein ele- mentarer Erfolgsfaktor. Digitale Transformation, Globalisierung, Handelskriege, Elektromobilität, Energiewandel, ökologischer Fußabdruck – das können wir nicht alles alleine stemmen. Auch un- sere Produktbreite und Fertigungstiefe, die jahr- zehntelang ein entscheidender Wettbewerbsvor- teil gewesen ist, unterliegt einem Wandel. Heute brauchen wir eine große Flexibilität. Das bedeutet auch Veränderungen in unseren Wertschöpfungs- ketten. Wir werden gemeinsam mit unseren Kun- den und Lieferanten Risiken eingehen müssen. Dazu sind wir in der Lage und ein starker sowie verlässlicher Partner, gerade durch unsere finan- zielle Unabhängigkeit. è Familie contra Einflussnahme von außen – ist eine Familie als Unternehmer immer positiv? Es gibt natürlich einige prominente Beispiele, wo die Familie nicht einig ist und das Unternehmen dadurch leidet, möglicherweise sogar in seinem Fortbestand gefährdet ist. Wenn die Gesellschaf- ter jedoch ein gutes Regelwerk im Interesse von Unternehmern und Unternehmen geschaffen ha- ben und auch Nachfolgeregelungen gut vorbereitet sind, dann klappt das zumeist sehr gut. Allerdings: Da, wo dies nicht sorgfältig und mit Weitblick vorbereitet ist, können Kompetenz oder auch unternehmerische Einflussnahme von außen helfen und der professionellen Unternehmensfüh- rung sowie den Entscheidungsprozessen nutzen. Auch dafür gibt es etliche Beispiele in der Wirt- schaft. Diese Situation sehe ich bei uns aber überhaupt nicht. Wir sind hervorragend aufgestellt, sowohl auf Seiten unserer Gesellschafter, die an einem Strang ziehen, als auch durch unser Aufsichtsgremium, das den Gesellschaftern und der Geschäftsführung mit viel Sachverstand zur Seite steht. Solch ein Mo- dell ist meines Erachtens – für uns – das richtige und trägt dazu bei, unsere unternehmerische Un- abhängigkeit auch für die nächsten Generationen und zum Wohl von Mitarbeitenden und Kunden zu sichern. Das Innovationsmagazin von Phoenix Contact UPDATE 3/19 39